Von N. Ahr, H.Maier-Borst, M. Nejezchleba, C. Tatje, Fotos: T. Rabsch
Mitarbeiterin Reisezentrum, Großstadt:
"Mein Arbeitstag fängt um 6.50 Uhr
an, zehn Minuten bevor ich den ersten Kunden empfange. In den zehn Minuten soll ich: die
Uniform anlegen, die Kasse checken, Belege prüfen, den Rechner hochfahren, schriftliche
Anträge durchschauen. Vor allem soll ich gucken, welche Strecken gesperrt sind. Wenn ich auf
Toilette will, muss ich eine halbe Stunde vorher die Schlange schließen und die Leute
abfertigen. Wenn ich Papierkram im Hintergrund zu erledigen habe, muss ich das ebenfalls
planen. Und glauben Sie mir, es gibt eine Menge Papierkram. Ständig sind da neue Angebote und
Rabatte und entsprechend ständig neue Prospekte, die ich einsortieren, und Formulare, die ich
bearbeiten muss. Das wissen die Kunden natürlich nicht. Und so schauen die immer verärgert zu
einem, wenn man da hinten rumwuselt. Die denken: Wieso macht die eigentlich nix?"
Mitarbeiterin Reisezentrum, Kleinstadt:
"Es ist ein Pfenniggefuchse, ein
Minutengefuchse innerhalb der Bahn. Wenn es Verspätungen gibt, kostet das Geld, und das muss
dann zum Beispiel der Bereich DB Regio an den Bereich DB Netz zahlen. Deshalb wird lieber ein
Zug losgefahren, ohne auf einen anderen zu warten, sodass es auf dem Papier keine Verspätung
gibt. So verpassen aber vielleicht Dutzende Pendler ihren Anschluss und sind sauer. Wir denken
einfach nicht mehr als
ein
Betrieb, sondern es denkt nur noch jeder Einzelbetrieb für
sich, damit er am Ende schwarze Zahlen schreibt."
Der Unmut über den verpassten Anschlusszug entlädt sich gern hier: im Reisezentrum. Was viele Menschen aufbringt, die Bahn fahren: unpünktliche, überfüllte, ausgefallene Züge – und Erklärungen dafür, die niemand versteht. Warum ist das eigentlich so? Was genau läuft schief bei der Deutschen Bahn, einem der größten deutschen Arbeitgeber, mit Rekordumsatz, aber auch mit rekordverdächtigen Schulden? Und wie geht es denen, die dort arbeiten und die vielleicht bald wieder streiken werden, wenn Ende September die Verträge der Bahn mit den Gewerkschaften EVG und GDL auslaufen?
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