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Bestechlichkeit: Im Prozess um Korruption bei Lebensmittelkontrolleuren arbeiten die Anwälte mit harten Bandagen - WELT

DIE WELT Bestechlichkeit

Im Prozess um Korruption bei Lebensmittelkontrolleuren arbeiten die Anwälte mit harten Bandagen

Im Prozess um die Bestechlichkeit von zwei Lebensmittelkontrolleuren arbeiten die Anwälte mit harten Bandagen.

Es gibt nichts, was es nicht gibt vor Gericht

Komödienstadel vor dem Hamburger Amtsgericht. Saal 184, gestern Vormittag um 9 Uhr: Es geht um die Bestechlichkeit von zwei Lebensmittelkontrolleuren. Ein paar Bier sollen sie bekommen haben, um laut Staatsanwaltschaft in einem Lokal im Bezirk Mitte weder den Schwarzschimmelbefall im Bierkühlraum noch das fehlende Handwaschbecken und die dunkel gestrichenen Wände in der Küche ihrer Behörde zu melden.

"So ein Prozess ist lächerlich angesichts der NRW-Flugaffäre und dem Skandal um den Ex-Vorsitzenden der großen deutschen Volkspartei", kritisierte Ben Bartholdy, einer der Verteidiger. Wegen seiner Streitlust ist er bei Richtern und Staatsanwälten gefürchtet. Bereits vor Prozessbeginn hatte er angekündigt: "Wenn jemand wegen solcher Kinkerlitzchen vor Gericht steht, dann soll der Prozess wenigstens ordnungsgemäß verlaufen." Dafür setzte sich Bartholdy bisher eifrig ein.

Am zweiten Verhandlungstag stritt der Verteidiger mehr mit der Richterin als mit der Staatsanwältin, mehr über den Ablauf des Verfahrens als über die Sachlage. Von den acht geladenen Zeugen wurden nur zwei gehört. Der vorläufige Höhepunkt: Ein Antrag von Ben Bartholdy, in dem Richterin Schwandt wegen Befangenheit abgelehnt wird. Sie soll den Anwalt unter anderem Lügen gestraft haben. Es ging darum, wie lange die Geschäftsstelle des Gerichts am vergangenen Freitag geöffnet hatte. "Das ist doch jetzt völlig unerheblich für den weiteren Verlauf in diesem Prozess", meinte die Richterin. Als beide das Missverständnis aus der Welt räumen wollten, war ein Zeuge im Sitzungssaal. Auch das kreidete Bartholdy ihr an.

Schon am ersten Verhandlungstag hatte Ben Bartholdy Richterin Schwandt schier zur Verzweiflung getrieben. Noch bevor der Prozess eröffnet wurde, ließ Bartholdy über 20 Minuten die Rechtmäßigkeit der Richterin prüfen - sie war für eine erkrankte Kollegin eingesprungen. Gleich nach der ersten Unterbrechung folgte die zweite: Ein weiterer Verteidiger beantragte erneute Akteneinsicht. Angeblich soll sie ihm das letzte Mal im Frühjahr 1999 gewährt worden sein. Gestern dann wieder eine Unterbrechung nach der anderen. Richterin Schwandt: "Es gibt nichts, was es nicht gibt."

Der Prozess wir morgen fortgesetzt - und soll nach dem Willen der Richterin sogar abgeschlossen werden. "Notfalls gehen wir ab 16 Uhr ins Zivilgerichtsgebäude, wenn hier geschlossen wird", kündigte sie bereits trotzig an.

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