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Zigarettenschachteln: Ganz schön krank

Für den Designer John Digianni war die Zigarettenschachtel mehr als nur eine Verpackung, sie war wie ein Kleidungsstück, mit dem der Raucher "ein Statement über sich selbst" mache.

Mit den Schockfotos, die künftig auch in Deutschland Pflicht werden sollen, stirbt jedoch das, was Zigaretten vor allem für junge Leute unverwechselbar macht - ein Lebensgefühl der Freiheit und der Coolness.

Bislang konnten gerade die deutschen Tabakproduzenten ihre Verpackungen weitgehend so gestalten, wie sie wollen: Von Sondereditionen mit tanzenden Ostereiern bis hin zu blumenverzierten Päckchen speziell für Frauen - die bunten Aufmachungen lenkten erfolgreich von den Gesundheitswarnungen ab. Die Konsequenz: "Die textlichen Hinweise hatten leider nicht den Erfolg, den wir uns erhofft hatten", sagt Karl-Heinz Florenz, der für die CDU im Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments sitzt. Jahrelang hat er in Brüssel eine Verschärfung des geltenden Rechts gefordert.

Nun wird tatsächlich nachgelegt. Zu jedem der vierzehn Warnhinweise gibt es in Zukunft gleich drei verschiedene abschreckende Illustrationen - 42 insgesamt. Die Bilder sollen im Jahrestakt wechseln, weil der Schockeffekt dann nicht so leicht verfliegt. Zu dem Hinweis "Rauchen verstopft Ihre Arterien" wird beispielsweise ein verfaulender Fuß oder ein bis zum Oberschenkel amputiertes Raucherbein gezeigt.

Für den Gesetzgeber sind Warnhinweise auf Zigarettenpackungen eine geradezu ideale Art der Aufklärung. Ihre Verbreitung kostet die EU praktisch nichts, und die Hinweise erreichen genau diejenigen, denen die Politik den Griff zur Zigarette vergällen will: Rauchern, Ex-Rauchern und ganz besonders Jugendlichen, die gar nicht erst mit dem Qualmen anfangen sollen. Genauso wie Marketingspezialisten wollten die Verantwortlichen in Brüssel deshalb nichts dem Zufall überlassen. "Die EU-Kommission hat die Bilder extrem sorgfältig ausgesucht", bescheinigt Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Deutschen Krebsforschungszentrum. Sie hat den Auswahlprozess für die Schockbilder von Anfang an begleitet.

Einige der Fotos sind echt, andere inszeniert. So hat sich kein EU-Beamter in die Trauerfeier für ein ungeborenes Kind geschlichen, um zwei trauernde Eltern am Babysarg zu fotografieren. Und auch die Verzweiflung des offensichtlich erfolglosen jungen Herrn im Bett ist in Wahrheit nur gespielt. Als Inspiration dienten die Fotos in 77 Ländern, die bebilderte Warnhinweise schon nutzen. Einen Embryo im Aschenbecher gibt es zum Beispiel in Brasilien.

Das Gros der Bilder aber zeigt echte Patienten: Die faulenden Zahnstümpfe, schwarz verteerten Lungen und tumorbefallenen Zungen sind tatsächlich die Folge von jahrelangem Tabakkonsum. Um eine möglichst große Auswahl zusammenzutragen, hat die EU-Kommission mehrere Kliniken kontaktiert, die sich auf Raucherkrankheiten spezialisiert haben. Die Fotos kommen also direkt von der Quelle.

Anschließend wurden in zehn Staaten der Europäischen Union Studien in Auftrag gegeben. Auch Deutschland war dabei. Je Land wurden die unappetitlichen Fotos 800 Probanden vorab gezeigt. Ziel war es, die Wirkung der Bilder zu testen - und genau die ausfindig zu machen, die am meisten Ekel hervorrufen. Dafür beobachteten die Wissenschaftler, wie sich die Einstellung der Probanden zum Rauchen und ihre Emotionen durch das Betrachten der Bilder veränderten. Zusätzlich wurden bei einer kleineren Versuchsgruppe die Augenbewegungen und die elektrische Leitfähigkeit der Haut untersucht. So sollten die Reaktionen auch objektiv gemessen werden.

Die 42 Fotos, die die Versuchskaninchen am meisten verschreckten, schafften es dann schließlich in die Bildersammlung der EU. Und wenn die Erfahrungen aus Vorreiterstaaten wie Kanada und Australien nicht trügen, werden sie bald vielen Europäern die Lust auf eine Zigarette nehmen.

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