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Corona-Krise: Rentner sorgen sich um Grundrente

Stand: 04.05.2020 06:28 Uhr

von Marie Löwenstein

Zwei helle Räume und der Blick ins Grüne: Für die Rentnerin Angelika Mayer ist ihre Wohnung nicht nur wegen der schönen Lage ein Glücksfall, sondern auch, weil sie günstig ist. Nur 450 Euro Miete zahlt die 74-Jährige in dem staatlich geförderten Wohnungsbau im Hamburger Norden. Mehr könnte sie sich auch nicht leisten, denn sie bekommt nur rund 900 Euro Rente. Und dass, obwohl sie über 40 Jahre fast immer Vollzeit als Sekretärin gearbeitet hat. Manchmal hadere sie mit ihrem Schicksal, sagt Mayer: "Dann denke ich darüber nach, was ich alles nicht kann. Das ist kein schönes Gefühl."


 Nur 450 Euro zum leben


Wohnung, Internet, Handy, ÖPNV-Fahrkarte, Essen, Medikamente, Kleidung und Hygieneartikel: Das alles muss Mayer von den knapp 450 Euro zahlen, die ihr abzüglich der Miete bleiben. Auch wenn sie spart, wo sie kann, bleibt am Ende des Monats kaum etwas übrig, um zum Beispiel mal ins Kino zu gehen oder einen Ausflug mit ihren Freundinnen zu machen.


  Viele Rentner rutschen in die Altersarmut


So wie Mayer geht es vielen Rentnern in Deutschland. Sie haben jahrzehntelang gearbeitet und rutschen trotzdem in die Altersarmut. Abhilfe schaffen soll die sogenannte Grundrente. Erst im Februar hatte sich die Große Koalition in Berlin nach langem Streit darauf geeinigt, Rentnern, die lange in die Kassen eingezahlt haben und trotzdem nur wenig Rente bekommen, Aufschläge zu zahlen. Durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Milliarden-Ausgaben des Staates wird der Beschluss aber nun wieder kontrovers diskutiert.

Kann sich Deutschland die Grundrente noch leisten?

Kritiker sagen, Deutschland könne sich die Grundrente jetzt nicht mehr leisten. Von der Maßnahme sollten ab dem 1. Januar 2021 knapp 1,3 Millionen Rentner profitieren. Menschen wie Angelika Mayer, die mindestens 33 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Der Zuschlag auf die Rente soll gestaffelt werden und nach 35 Jahren die volle Höhe erreichen. Grundrente bekommen sollten zudem nur jene Rentner mit einem Einkommen unter bestimmten Grenzen. Ob der Bundestag dem jedoch zustimmen wird, ist momentan unklar.


  Rentner auf Nebenjobs angewiesen


Weil das Geld nicht reicht, suchen sich viele Rentner einen Nebenjob. Mayer macht zum Beispiel zwei Mal in der Woche den Frühstücksservice in einer Hamburger Seniorenresidenz. Damit verdient sie sich 450 Euro im Monat dazu. Während der Corona-Krise sollen aber besonders die Älteren zu Hause bleiben, um Infektionen zu vermeiden. Daran hält sich auch Angelika Mayer. "Mir ist da gerade meine eigene Gesundheit näher", sagt sie.


  Bis zu 400 Euro mehr im Monat


Gesundheitlich angeschlagen war Mayer in den vergangenen Wochen ohnehin. Bei ihr wurden mehrere unbemerkte kleine Schlaganfälle diagnostiziert. Nun hat sie die Sorge, dass sie nach der Corona-Krise nicht zurück in den Job kann. "Ich muss mich immer noch stabilisieren und viel ruhen", sagt Mayer. Dass sie im Alter nicht ewig würde arbeiten können, war der 74-Jährigen schon vor ihrer Erkrankung klar. Deswegen hatte sie sich so sehr auf die angekündigte Grundrente gefreut. Die würde ihr bis zu 400 Euro mehr im Monat bescheren. "Das würde mir auf jeden Fall Ruhe geben", sagt sie. Sie habe keine Verwandten mehr und außer vom Staat von niemandem im Leben mehr etwas zu erwarten.


  Kritik der Sozialverbände


Vielen armen Rentnern gehe es derzeit ähnlich wie Angelika Mayer, sagt Bernhard Sackarendt, Vorsitzender des Sozialverbandes Niedersachsen. Durch die Corona-Krise können sie als Risikopatienten nicht mehr arbeiten gehen. Zugleich seien soziale Anlaufstellen wie die Tafeln nur noch eingeschränkt für sie da. Dass nun auch noch die Grundrente auf der Kippe stehe, sei ein Schlag in das Gesicht der Leute, die viele viele Jahre gearbeitet haben, kritisiert Sackarendt: "Es sind häufig Personen, bei denen die Renten jetzt schon sehr, sehr niedrig sind und die erwartet haben, dass es über die Grundrente etwas besser werden würde."


Die Grundrente sei durch die vielen Diskussionen zwischen den Koalitionspartnern in Berlin ohnehin schon zu sehr abgespeckt worden, monieren die Sozialverbände. Umso wichtiger sei, dass das wenige Erreichte in der Corona-Krise nicht zum politischen Spielball werde.


  Bundesarbeitsminister Heil macht Druck


Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat nun Druck gemacht. Er fordert, dass die Grundrente in dieser Woche auf die Tagesordnung des Bundestags kommt. "Ich will, dass die Grundrente am 1. Januar 2021 in Kraft tritt", sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Wir erleben, dass der Bundestag aufsteht und für die Menschen klatscht, die als Supermarktkassiererinnen oder Pflegehelfer für wenig Geld in systemrelevanten Berufen arbeiten", so Heil. "Wenn dann eine Debatte gegen die Grundrente angezettelt wird, die gerade diesen Menschen hilft, finde ich das zynisch."


Angelika Mayer hofft weiter derweil weiter, dass die Grundrente kommt. Ihre niedrige Rente bleibe letztlich eine Ungerechtigkeit, sagt sie. Schließlich habe sie immer gearbeitet und sich sogar im Alter noch um Arbeit bemüht."Ich wünsche mir von der Politik, dass sie das wie versprochen zum 1. Januar 2021 durchzieht."


Dieses Thema im Programm:

Aktuell | 04.05.2020 | 06:50 Uhr
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