Das Königreich ist Nachbar des Bürgerkriegslands Syrien und bietet gut 700.000 Menschen Zuflucht. Klappt es in Jordanien noch mit normalem Tourismus? Das wollten wir wissen und haben in Petra nachgesehen
Jordaniens Sehenswürdigkeit Nummer eins ist Petra. Die Nabatäer haben dort Großartiges geschaffen. Sie gründeten ein Königreich, bauten eine riesige Stadt, und schlugen Tempel- und Grabfassaden in einer einzigartigen architektonischen Formkunst in die Felsen. Diese Fassaden lösen bis heute weltweit Bewunderung aus. Filmisch zur Ikone wurden sie, als Harrison Ford in seiner Rolle als Indiana Jones 1989 mit offenem Mund vor dem sogenannten Schatzhaus ritt.
Wie aber die Nabatäer lebten, wo und wie sie wohnten, wie genau ihre Kulte abliefen, darüber gibt es bis heute nur Spekulationen. Aber vielleicht macht genau dies den Reiz aus, dass man die einstige Pracht und Großartigkeit zwar noch erkennen, ihre ganze Dimension aber nicht erfassen kann. Wenn man sich ein paar Tage Zeit nimmt, wird man sich dieser Größe - in vielfacher Hinsicht - zumindest ein wenig bewusst.
Treppensteigen für Top-Blick auf Petra
Petra ist neben dem Wadi Rum das touristische Highlight des Landes und seit 1985 Unesco-Welterbe. Die meisten Touristen bleiben einen Tag, höchstens zwei. Doch es gibt mehr zu entdecken. Einer der schönsten Wege beginnt gleich am Siq, der einen Kilometer langen Schlucht, die den Hauptzugang zur antiken Stadt bildet.
Man verlässt den eigentlichen Weg kurz vor dem sogenannten Siq, einer gut 1,5 Kilometer langen, schmalen Felsschlucht, und hält sich links. Die Pfade sind spärlich, aber ausreichend markiert. Dann geht es Schritt für Schritt nach oben. Die Treppen wurden alle von den Nabatäern angelegt, sind also rund 2.000 Jahre alt. Auf dem Weg lauert eines der tierischen Wahrzeichen der Ruinenstadt: eine Sinai-Agame, durch die blaue Färbung als Männchen erkennbar.
Man hält sich irgendwann rechts, fragt einen Beduinen nach dem Weg Richtung Schatzhaus und plötzlich steht man auf einem Berggipfel. Von hier kann man auf die die prächtige Fassade herabschauen. Ein spektakulärer Anblick, den nicht mal Indiana Jones sah.
Wadi Musa: Wo bleiben die Touristen?
Das berühmte Schatzhaus ist das meistfotografierte Monument des Landes, es hat von seiner Strahlkraft nichts verloren. Beim Spaziergang durch das abendliche Wadi Musa wirkt der moderne Ort wie entvölkert. Fast die Hälfte der Hotels und der Restaurants sind geschlossen, die noch vor wenigen Jahren boomten und aus allen Nähten platzten.
„Wir haben finanzielle Einbußen von bis zu 45 Prozent hinnehmen müssen in den letzten vier Jahren", sagt Dr. Emad Hijazeen, der in Nürnberg Kulturgeografie studierte und Generaldirektor des Archäologischen Parks ist, „die Auslastung der Hotels ging um bis zu 70 Prozent zurück!" Jordanien sei sicher, davon ist er überzeugt, aber er sagt auch: „Jordanien ist natürlich im Krieg. Wir unterstützen den Kampf gegen Daesh, den IS, mit Flugzeugen." Statt um Reisende aus den USA und Europa werbe man nun um Besucher aus den Golfstaaten, aus China, Japan und Korea. „Die Asiaten sind nicht so ängstlich", konstatiert der Direktor.
Beste Aussicht vom Berg Umm al-Biyara
Umm al-Biyara ist eine andere spektakuläre Anhöhe, 300 Meter über der eigentlichen Stadt und der höchste Berg Petras. Am Ende der Kolonnadenstraße, in der Höhe des Qasr al-Bint, wendet man sich nach links und folgt der Schotterstraße. Dann vorbei an den Höhlen, in denen noch - oder wieder - Beduinen leben, und hält Ausschau nach einer Steintreppe. Der Aufstieg ist mühsam, die Sonne knallt erbarmungslos. Dann, auf etwa 1.100 Metern erhebt sich schließlich das Plateau. Der Ausblick auf die im Tal liegende Stadt und die gegenüberliegende Königswand ist gigantisch.
In der Ferne erkennt man die Spitze des sogenannten Klosters Ad Dair, es leuchtet in Ockerfarben zwischen den schattigen Felsen. Umm al-Biyara, die Mutter der Zisternen, nannten die Nabatäer diesen Berg, weil sie hier Regenwasser sammelten. Vor einigen Jahren haben deutsche Archäologen einen Palast ausgegraben, samt einer Bäderanlage und einer Fußbodenheizung. Sie vermuten, dass es eine weithin sichtbare Kopie des Palasts von Herodes auf Masada war.
Übrigens: Einer der schönsten Wanderwege startet in Little Petra, nur wenige Kilometer entfernt vom eigentlichen Petra. Auf diesem Wanderweg nähert man sich der berühmten Nabatäerstadt quasi von hinten, auf unwegsamem Gelände.
PS: Auf der gesamten Reise von Amman über Wadi Mujib, Wadi Dana, Petra, Totes Meer und Wadi Rum waren keinerlei Beeinträchtigungen durch den Krieg in Syrien zu spüren - im Gegenteil, der für das Land bittere Rückgang der Besucher hat für Reisende den Vorteil, dass man viele Highlights des Landes fast ungestört erleben kann. Zu den Stärken Jordaniens gehören die kulturelle Vielfalt - hier liegen Zeugnisse der europäischen Antike und vorderasiatischer Kulturen nahe beieinander. Ein Bade- und Tauchaufenthalt am Roten Meer ist die ideale Ergänzung zur Reise durch die Wüste und zu den Kulturdenkmälern.
Hinweis: Diese Reportage ist eine gekürzte Version aus dem Magazin "abenteuer und reisen", Ausgabe 12/2016