"Der Ton macht gewissermaßen auch die Musik und es ist schon wichtig für eine gute Kommunikation, auch mitzukriegen, ob vielleicht in der Sprache Ironie steckt, ob jemand ein bestimmtes Gefühl zeigt und ausdrückt in der Stimme und eben die ganzen anderen reichhaltigen sozialen Signale. Da kann es durchaus ein großes Handicap sein, wenn man diese Zwischentöne in der Kommunikation nicht mehr gut hören kann."
Von außen sind Hörprothesen kaum zu sehen, nur ein kleiner Bügel mit einer Spule sitzt hinter dem Ohr. Der Großteil der Technik befindet sich innerhalb des Kopfes, in der Gehörschnecke. Daher heißen die Geräte Cochlea-Implantate. Kleine Elektroden regen den Hörnerv wieder an. Doch während in einem intakten Innenohr mehrere Tausend Sinneszellen die Schallwellen in elektrische Signale umwandeln, bestehen auch moderne Cochlea-Implantate nur aus rund 20 Elektroden. Sonst würden sich die elektrischen Impulse gegenseitig stören. Die Hörwahrnehmung ist dadurch eine ganz andere als bei Normalhörenden. Aber wie anders?
Um das besser zu verstehen, besuche ich Ann-Catrin Gruber. Die 31-Jährige lebt in Oberhausen. Sie ist mit 26 Jahren aus ungeklärter Ursache nahezu vollständig ertaubt. Seit fünf Jahren trägt sie nun am rechten Ohr ein Cochlea-Implantat. Sie beschreibt, wie sehr sich die Wahrnehmung von Stimmen vor ihrer Ertaubung und nach ihrer Implantation voneinander unterschied.
"Für mich fing das so an, dass es sich wie Morsern angehört hat. Also ich hatte nur so ein Tüt, tüt, tüt, tüüüt, so. Und mit
der Zeit habe ich dann Sprachverstehen auch bekommen. Und es ist nach wie vor
metallisch und so kann man es am ehesten beschreiben", berichtet Ann-Catrin Gruber.
Menschen mit Cochlea-Implantat verstehen am Anfang also kaum etwas und müssen erst einmal mit intensivem Training lernen, die Empfindungen durch ihre elektronische Hörprothese wieder einordnen zu können. Ann-Catrin Gruber: "Also am Anfang, nach der Implantation haben sich alle Stimmen gleich angehört. Mittlerweile kann ich Stimmenfarben gut unterscheiden."
Individuell ist es sehr unterschiedlich, wie gut die Betroffenen wieder "Hören" können. Manchen hilft ein Cochlea-Implantat aber auch nicht. Sie entscheiden sich dann häufig, lieber weiter komplett gehörlos zu leben und auf Gebärdensprache zu setzen. Selbst für Ann-Catrin Gruber, die verhältnismäßig gut mit ihrem Implantat zurechtkommt, hat die Gebärdensprache Vorteile:
"Für mich ist die Gebärdensprache in vielen Situationen einfacher, weil sie direkt ist. Es gibt da kein durch die Blume. Und bei mir ist das manchmal, dass ich aufgrund meiner Schwerhörigkeit das durch die Blume nicht ganz verstehe. Und diese Barriere ist in der Gebärdensprache für mich nicht vorhanden."
Genau diese wichtigen Zwischentöne der menschlichen Kommunikation sind es, die das Team an der Universität Jena interessieren. In einer aktuellen Studie haben sie die Wahrnehmung von Emotionen in Stimmen bei 25 Menschen mit Cochlea-Implantat und 25 Normalhörenden untersucht. Dabei testeten sie, welche Parameter unserer Stimme - wie die Tonhöhe oder die Klangfarbe - für die Erkennung von Emotionen entscheidend sind. Die Klangfarbe beschreibt dabei den individuellen Klang einer Stimme. Wenn beispielsweise zwei Sänger dasselbe Musikstück vortragen, klingt es für uns unterschiedlich - auch wenn beide exakt dieselben Tonhöhen singen.
Die Proband:innen hörten nacheinander mehrere emotional gesprochene Pseudowörter, die durch ein sogenanntes Stimmmorphing so bearbeitet waren, dass sich gezielt einzelne Parameter veränderten.
Die Implantatträger:innen konnten die Emotionen insgesamt schlechter erkennen als die Normalhörenden, berichtet die Psychologin Celina von Eiff. Sie hat die Studie geleitet.
"Während aber die Normalhörenden Klangfarbe und Tonhöhe von Stimmen in einem ähnlichen Ausmaß bei der Erkennung nutzen konnten, orientierten sich die Implantatträgerinnen und -träger verstärkt an der Klangfarbe von Stimmen. Was überraschend ist, weil in anderen Studien, in denen es zum Beispiel darum ging, das Geschlecht in Stimmen wahrzunehmen, die Tonhöhe, eben die Grundfrequenz einer Stimme relevant war und entscheidend und nicht die Klangfarbe."
Das Erstaunliche: Im Bereich der Klangfarbe konnten die Implantatträger:innen die Emotionen sogar fast genauso gut erkennen wie Normalhörende. Das Gesamtdefizit konnte dies jedoch nicht ausgleichen.
Das Jenaer Forschungsteam fragt sich nun: Könnten Menschen mit Hörprothesen diese Fähigkeit gezielt trainieren? Sie testen gerade ein Online-Training, bei dem die Implantatträger:innen die Veränderungen der einzelnen Stimmparameter einzuordnen lernen.
Und genau das könnte für Betroffene auch mehr Lebensqualität bedeuten. Menschen mit Cochlea-Implantat zufriedener und gesünder machen. Denn die Jenaer Forschenden haben die betroffenen Menschen in ihrer Studie auch zu ihrer Lebensqualität befragt: Wem die Emotionserkennung leichter fiel, der fühlte sich besser. Das deckt sich mit Erkenntnissen aus anderen Studien.
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