Oft geschieht es unbedacht. Wir kaufen zu viel ein, kochen in zu großen Mengen, vergessen die Reste im Kühlschrank, sie werden schlecht und durch neue Lebensmittel ersetzt. Vieles wird jedoch auch von den Supermärkten selbst weggeworfen, meist völlig unnötig: Der Apfel hat eine Delle, der Salat ein welkes Blatt, die Banane fängt gerade an, die richtige Konsistenz zu entwickeln - schon gelten diese Lebensmittel als nicht mehr genießbar oder zumindest nicht mehr verkäuflich. Und was sich nicht verkaufen lässt, wird weggeworfen.
Dieser Einstellung unserer heutigen konsumdominierten Gesellschaft stellen sich die selbsternannten „food saver" entgegen - die Lebensmittelretter*innen. Dazu gehören in Freiburg auch Lorenz (25, Student) und Eliana (22, Studentin). Sie können nicht verstehen, warum noch genießbares Essen, ihrer Ansicht nach, aufgrund sinnfreier Vorschriften in den Müll wandert. „Das macht mich einfach so wütend", sagt Lorenz. Den kommerziellen Handel mit lebensnotwendiger Nahrung lehnen die beiden ab und gehen deswegen schon lange containern, holen also von Supermärkten weggeworfene Lebensmittel nach Ladenschluss wieder aus den Mülltonnen. Das Problem daran ist, dass Containerer in Deutschland kriminalisiert werden, sie immer nur nachts unterwegs sein können, viele Märkte und Discounter ihren Müll inzwischen gar absperren oder die Tonnen mit Schlösser versehen und man den Missstand des unverantwortlichen Umgangs mit Lebensmitteln keiner breiten Öffentlichkeit näher bringen kann. Genau diese Möglichkeit bietet die Organisation der food saver, die 2013 in vielen deutschen Städten entstand, im November desselben Jahres auch in Freiburg. Dabei handelt es sich um eine Kooperation zwischen Einrichtungen, die regelmäßig viele Lebensmittel wegwerfen (müssen) und Menschen, die eben jenes Essen mitnehmen, bevor es im Container landet - und zwar völlig legal.
Alle food saver sind über eine Online-Plattform registriert, erhalten einen Ausweis, mit dem sie zu abgesprochenen Zeiten bei kooperierenden Unternehmen auftauchen und alle Lebensmittel, die die Angestellten entsorgen müssen, mitnehmen dürfen. „Viele Läden freuen sich über die Zusammenarbeit, weil sie ihr Essen eigentlich selbst nicht wegschmeißen wollen", sagt Lorenz. Und gerade bei kleineren Betrieben, wie Tankstellen, Imbissbuden oder Kantinen, lohne sich zum Beispiel für die Tafel keine Kooperation.
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Die Zusammenarbeit organisiert sich selbst, jede*r food saver*in kann versuchen, neue Kooperationen zu gewinnen, aber Unternehmen können sich natürlich auch selbst melden, wenn sie Interessen haben. So gebe es allerdings auch einige Supermärkte, die die food saver nur aufgrund des Imagegewinns unterstützen. „Die große Nachhaltigkeitslüge", nennt Lorenz das. Er ist seit dem zweiten Treffen der Freiburger food saver dabei, wie auch mittlerweile fast seine gesamte WG, an deren öffentlich zugänglicher Kellertreppe sich inzwischen einer der vier „Fairteilpunkte" Freiburgs befindet, zu denen die food saver ihre geretteten Lebensmittel bringen, damit sie von anderen abgeholt werden können. In einer großen Kiste stapeln sich Obst und Gemüse, oft auch verpackte Waren wie Margarine oder Fleisch, seltener Milchprodukte. Nichts davon ist verdorben, alles sieht noch genießbar aus. „Das Mindesthaltbarkeitsdatum vieler Lebensmittel ist doch frei erfunden!", findet Lorenz. „Wir setzen auf die Eigenverantwortlichkeit der Menschen."
„Jeder sollte selbst entscheiden, was für ihn noch essbar ist. Dann sagt einem vielleicht der gesunde Menschenverstand, dass man die faule Stelle an einem Apfel auch einfach wegschneiden kann, anstatt die ganze Packung in den Müll zu werfen." Die Diskussion darüber, dass Produkte wie Nudeln oder Salz nicht „verfallen" können, die momentan auf europäischer Ebene geführt wird, begrüßt er ebenfalls.
Das System der food saver basiert auf Eigeninitiative. Jede*r kann an den Fairteilpunkten Essen abstellen, das er*sie gerettet hat und/oder daheim nicht mehr verwerten kann und darf jederzeit mitnehmen, was und so viel er*sie möchte. „Wir sind offen für alle Leute", erklärt Lorenz. „Bei uns muss man nicht nachweisen, dass man bedürftig ist. Man muss auch nicht offiziell registriert sein, um mit anderen Lebensmittel zu teilen." Die Verschiffung von Lebensmitteln über mehrere Kontinente, Gentechnik und Misstände in der Tierhaltung - all dies hängt mit den gewachsenen Ansprüchen unserer Gesellschaft zusammen: Exotische Früchte im Schwarzwald, Erdbeeren im Winter, jeden Tag Fleisch und alles natürlich in makelloser Optik und unversehrter Verpackung.
Lorenz und Eliana beteiligen sich auch an der GartenCoop, die Lebensmittel ohne Gentechnik anbaut und leben vegan beziehungsweise „freegan". So nennen sich containernde oder food savende „Einkaufsveganer", die Tierprodukte essen, so lange sie deren Herstellung nicht finanziell unterstützt haben. In Freiburg gibt es inzwischen über 300 food saver, zum Großteil Studierende, von denen die meisten mit der Katholischen Hochschule oder der G19 (besetztes Haus in der Gartenstraße 19) in Verbindung stehen, aber auch sehr engagierte Rentner*innen. Dass gerade viele ältere Menschen über das Online-System der food saver allerdings nicht erreicht werden, halten Lorenz und Eliana für einen Nachteil der Plattform. Für die Zukunft planen die food saver, in Freiburg auch öffentliche Kühlschränke aufzustellen und die Aufmerksamkeit für das Wegwerfverhalten der Supermärkte zu erhöhen, indem sie zum Beispiel gerettete Lebensmittel in der Innenstadt verteilen.
„Die Leute sollen nicht denken, dass das nur wir Studierenden machen, weil wir kostenloses Essen wollen, sondern sie sollen sich wirklich Gedanken darüber machen, was heutzutage alles weggeschmissen wird", sagt Eliana.
Weitere Infos über food saving gibt es hier! Außerdem eine Radiodiskussion über alternative Nahrungssuche in Freiburg hier!
Louisa Theresa Braun*Bild: http://www.1zoom.me/de/wallpaper/324044/z4583.8/