Das Ammerland in Niedersachsen könnte einmal als der Ort in die Geschichte eingehen, an dem die Verkehrswende ihren Anfang nahm. Dann, wenn ein deutsches Gericht hier stoppt, was vor über 80 Jahren unter anderen Vorzeichen begonnen wurde. Oder falls Politiker zu dem Schluss kommen, dass es so irrsinnig wäre, an diesem Ort eine Autobahn weiterzubauen, wie Naturschützer es vor dem Bundesverwaltungsgericht darlegen.
In Deutschland sollen, Klimakrise hin oder her, bis 2030 noch etwa 850 Kilometer neue Autobahn gebaut werden, so steht es im Bundesverkehrswegeplan. Der bei weitem längste Abschnitt wäre mit 200 Kilometern die Vollendung der von Ost nach West verlaufenden Küstenautobahn A20. Sie beginnt im polnischen Stettin und soll bis in die Niederlande führen, bislang endet sie östlich von Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Zum Vergleich: Die umstrittenen geplanten Abschnitte der Stadtautobahn A100 in wären nur sieben Kilometer lang.
Die A20 steht auf Platz eins einer aktuellen Analyse mit dem Namen Desaster im Dutzend - Zwölf Autobahnen, die kein Mensch braucht. Wird sie fertig gebaut, verursache sie jährlich 90.000 Tonnen CO₂, durch ihren Bau, den Unterhalt und zusätzlichen Verkehr. Schlimmer noch: Die geplante Trasse soll zu etwa 80 Prozent durch Moor- und Marschland führen. Und das ist es, was die Umweltorganisation BUND eine riesige Naturkatastrophe mitten in Deutschland nennt. Zusammen mit einem Landwirt hat sie gegen den Beschluss für den ersten 13 Kilometer langen Abschnitt im Ammerland geklagt. Ein Sieg vor Gericht wäre wegweisend - auch für viele weitere Fernstraßenprojekte in Deutschland.
Praxistest für das VerfassungsgerichtsurteilLetztlich geht es um die Frage: Darf der Staat vor Jahrzehnten geplante Großbauprojekte wie gehabt weiterverfolgen, ohne den Klimaschutz zu berücksichtigen?