Stell dir vor: das Land, in dem du geboren wurdest und in dem du bis heute lebst, führt einen Krieg. Du bist dagegen. Was tust du? Bleibst du und versuchst vor Ort etwas zu verändern? Oder gehst du, weil das Leben nicht mehr sicher ist?
Über diese Fragen spreche ich mit Sie ist eine von vielen Russ:innen, die in Armenien ein paar Tage Urlaub machen. Sie braucht eine Pause von der trübseligen Stimmung in Sankt Petersburg. Im Urlaub wollen die wenigsten über Politik reden, aber weil Masha Deutsch spricht und wir beim Frühstück in einem Hotel in der Hauptstadt Jerewan unkompliziert ins Gespräch kommen, beginnt sie zu erzählen. "Wer kann, der geht", sagt Masha. Sie selbst könne Russland nicht verlassen; ihre Mutter würde einen Neuanfang nicht überstehen. Und ihre Familie bedeute Masha mehr als ein Leben in Freiheit.
"Viele Menschen in Russland sind gegen den Krieg"Sie streichelt den Arm ihres Mannes, der mit am Tisch sitzt und schweigend sein Brot isst. Masha ist gegen den Krieg, sie findet ihn falsch. Protestieren gegangen ist sie trotzdem nicht. Ihre Mutter flehte sie an, zu Hause zu bleiben: Es sei zu gefährlich. Also blieb Masha daheim.
Wer in Russland bleibt, muss mit der Willkür des Regimes rechnen. Um Angst zu verbreiten, überzieht es Kritik und Protest mit Strafen. Männern droht der Militärdienst an einer Front, die den Beinamen "Fleischwolf" trägt. Russ:innen wie Masha leben in Ungewissheit, ob sich die internationale Gemeinschaft zu härteren Maßnahmen gegen ihr Land entschließt. Sie berichtet, dass viele Menschen in Russland ihre Jobs aufgrund von Sanktionen verlören, kulturelle Isolation und medizinische Versorgungslücken fürchteten, dass die Moral verrohe und die Propaganda die Massen manipuliere.
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