Die Wahl in den Niederlanden wurde mit Spannung erwartet - vor allem der Rechtspopulist Geert Wilders ließ Europa gebannt auf die Wahl in dem kleinen Land blicken. Am Ende entschieden sich die Niederländer gegen Wilders und für den amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte.
Die Wahlbeteiligung lag bei 81 Prozent, einigen Wahllokalen sollen sogar die Wahlzettel ausgegangen sein. Eine turbulente Wahl also, mit einer großen Niederlage für die Sozialdemokraten und einer deutlich gestiegenen Zustimmung für die Grünen. FAZ.NET sprach mit Friso Wielenga, selbst Niederländer und Professor für Niederlande-Studien in Münster.
Nur teilweise. Nicht überraschend finde ich, dass Wilders bei 13 Prozent hängen geblieben ist, denn genau das war die Prognose der letzten Wochen. Wir haben Wilders größer gemacht, als er eigentlich war. Überrascht bin ich von der Tatsache, dass Rutte deutlich besser abgeschnitten hat als erwartet. In den Prognosen lag er bei etwa 17 Prozent, jetzt holte er 21 Prozent. Ich glaube, da hat die Krise mit der Türkei eine Rolle gespielt, und dass sich die Niederländer nach Kontinuität und Stabilität gesehnt haben.
Im Vorfeld gab es Leute, die gesagt haben: Wenn die Gefahr besteht, dass Wilders den Zweikampf mit Rutte gewinnen könnte, dann wählen wir Rutte, um das zu verhindern. Das hat sicherlich eine Rolle gespielt.
Wenn im sozialen Bereich viel gespart werden muss, so wie es in den vergangenen Jahren auch in den Niederlanden der Fall war, leiden natürlich in erster Linie die Sozialdemokraten. Wir haben das in der Bundesrepublik nach der Agenda 2010 auch gesehen. Dass die PvdA jetzt sogar unter sechs Prozent gefallen ist, ist die Fortsetzung der sinkenden Zustimmung der letzten Jahre. Asscher schaffte es nicht, das Ruder rumzureißen. Die Sozialdemokratie muss jetzt versuchen, sich in der Opposition wieder zu profilieren. Sie haben viele Wähler verloren.
Jesse Klaver, der Chef von GroenLinks, konnte viele enttäuschte linke Wähler für seine Partei gewinnen. Wir sehen bei dieser Wahl, dass die Rolle der Personen wichtiger geworden ist als je zuvor. Klaver wurde von seinen Anhänger auch „Jessias" genannt. Er hat sich als Hoffnungsträger der Linken präsentiert und konnte durch sein junges Alter und seine Glaubwürdigkeit begeistern. Vor allem in einem Land wie den Niederlanden, wo es viele Parteien gibt und die Unterschiede zwischen ihnen nicht groß sind, werden die Personen wichtiger.
Wir sehen den Trend in Deutschland an der SPD sehr deutlich: Gabriel kam in der Vergangenheit nicht als Hoffnungsträger rüber. Dann betrat Schulz die Bühne und plötzlich stieg die SPD in den Umfragen um 10 Prozent. Auch in Frankreich spielen die Parteien eine immer kleinere Rolle: Macron, der eigentlich keine Parteibasis hat, wird vielleicht der nächste französische Präsident. Dass Persönlichkeiten wichtiger werden als Parteien, ist also ein Trend, den wir in vielen Ländern sehen können.
Natürlich kann man sagen, nach dem Brexit und nach Trump wäre jetzt die populistische Welle gekommen, wenn Wilders gewonnen hätte. Aber ich glaube nicht, dass die Wahlen in Frankreich und Deutschland danach entschieden werden, ob die niederländische PVV drei oder vier Prozent mehr oder weniger bekommt. Natürlich hat Rutte die Wahl strategisch so präsentiert, dass die Niederländer der Deich sind, der den Populismus stoppen muss. Aber ich schätze die Signalwirkung der Wahl für Europa nicht so hoch ein.
Dass man Populismus nicht überschätzen sollte. Wilders ist im Vorfeld in den Medien - und nicht zuletzt auch in den ausländischen Medien - viel, viel größer gemacht worden, als er war. Wenn man permanent über eine Person redet, kommt man von den Inhalten weg. Und das stärkt die Populisten. Deutschen Politikern kann man deshalb nach der niederländischen Wahl raten: Stellt eigene Themen in den Vordergrund, sucht die inhaltliche Auseinandersetzung und macht die Populisten nicht größer, als sie sind.