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Seitdem hat sich vieles zum Guten gewendet, auf den ersten Blick.
1994 wurde der Paragraf 175, der Homosexualität bei unter 18-Jährigen
nach wie vor unter Strafe stellte, endgültig aus dem Strafgesetzbuch
gestrichen. Seit 2001 können homosexuelle Paare eingetragene
Partnerschaften eingehen, seit 2017 gibt es die Ehe für alle. Auf den
zweiten Blick liegt immer noch so manches im Argen.
Der Arbeitsplatz – ein homophober Ort
Wer sich im Büro als lesbisch, bi- oder transsexuell outet, muss damit rechnen, diskriminiert zu werden, auch heute noch, im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Das ist traurig – und zeigt: Einige Menschen stürzen sich nach wie vor geradezu auf jene Eigenschaften, die von der vermeintlichen Norm abweichen, um andere auszugrenzen. Ob das bewusst oder unbewusst geschieht, macht für die Betroffenen letztlich keinen großen Unterschied, denn das Ergebnis ist dasselbe: ein Gefühl der Erniedrigung, das Gefühl, nicht dazuzugehören.
Erfreulicherweise haben sich viele große Unternehmen mittlerweile vorgenommen, Diversität in ihrer Belegschaft zu fördern. Sie hissen Regenbogenflaggen, haben Vielfaltsbeauftragte ernannt. Sie haben Netzwerke gegründet und Anlaufstellen für Diskriminierungsfälle geschaffen. Das ist löblich und wichtig. Klar ist auch: Kleinen und mittleren Firmen fehlen schlicht Geld und Kapazitäten für derartige Diversitätsapparate. Dies darf jedoch nicht als Entschuldigung dienen, das Thema außen vor zu lassen. Auch eine Kleinunternehmerin kann Stellung gegen Rassismus beziehen, auch ein mittelständischer Firmenchef kann beim Christopher Street Day mitlaufen oder – wenn das wie im vergangenen Jahr coronabedingt nicht möglich sein sollte – sich via Livestream mit der Situation der örtlichen Regenbogencommunity auseinandersetzen.
Hetzer in ihre Schranken weisen
Um auch die kleinen Diskriminierungen im Arbeitsalltag zu bekämpfen, braucht es aber mehr als das Engagement der Geschäftsführungen: ein offenes, feinfühliges Kollegium, das alle Teammitglieder toleriert und sie nicht anhand sexueller Ausrichtung, Hautfarbe oder sonstiger oberflächlicher Eigenschaften bewertet. Es braucht gütige Menschen, die zuhören und Feingefühl an den Tag legen. Dazu gehört auch, sich auf die Seite Schwächerer zu stellen und den Mut zu haben, Hetzer in ihre Schranken zu verweisen – selbst wenn es sich dabei um Vorgesetzte handelt. Wir alle sind gefragt.
Das wäre übrigens ganz im Sinne des 2019 verstorbenen Bundesanwalts Manfred Bruns gewesen. Er hat sich zeitlebens für die Rechte Homosexueller eingesetzt.
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