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Tiefer, schneller, lauter Anwohner beschweren sich über Bootslärm

SENDETERMIN Di, 14.7.2015 | 18.45 Uhr | SWR Fernsehen in Rheinland-Pfalz

Von Lisa Brandau

Auf deutschen Flüssen tummeln sich immer mehr Boote, aber nicht alle Freizeitkapitäne verhalten sich angemessen. Während im Straßenverkehr Tempolimits und Endschalldämpfer Lärm und Gefahren für Mensch und Tier minimieren, sieht das auf dem Wasser anders aus - zum Leid von Anwohnern, Ruderern und Schwimmern.

Der Wassersport boomt, immer mehr Menschen entdecken die heimischen Gewässer als Freizeitrevier, Wassersportschulen freuen sich über wachsende Teilnehmerzahlen. Aber nicht alle Verkehrsteilnehmer auf dem Wasser verhalten sich rücksichtsvoll gegenüber Natur und Mensch. Zwar prüft der Test zum Erhalt des Bootführerscheins auch Rücksichtnahme und Verantwortungsbewusstsein - theoretisch zumindest - praktisch halten sich jedoch nicht alle daran. Denn gesetzlich vorgeschrieben sind Tempolimit und Lärmminimierung nicht.


Das Problem: Die Zahl der zugelassenen Boote steigt stetig. Dario Damjanovic vermietet rund um Mainz und Wiesbaden Jet Skis und bietet Actionboot-Touren an. Er schätzt die Zahl der zugelassenen Privatboote allein in der Region um Binger auf 400-700. Ihm als Gewerbetreibenden geht es vor allem um den Sport - für unnötigen Lärm hat er kein Verständnis.


Speedboote können einen Lärmpegel von bis zu 110 Dezibel erreichen - und sind damit genau so laut wie ein Presslufthammer oder ein Düsenjet. Als Schmerzgrenze gilt eine Dezibel-Zahl von 120.


Inzwischen wehren sich auch die Anwohner der Region, denn wer an der Uferpromenade spazieren geht, hat immer häufiger Probleme, das eigene Wort zu verstehen. Natur genießen und entspannen, sieht für Touristen und Einheimische eigentlich anders aus.


"Motorboot-Proleten"

Die Binnenschifffahrtsverordnung spricht zwar von einer Allgemeinen Sorgfaltspflicht mit dem Ziel, niemanden zu gefährden oder zu behindern, die genaue Auslegung von angemessen Sicherheitsabständen und Lärmgrenzen bleibt jedoch dem einzelnen überlassen. Hilmar Hoenes ist Inhaber der Wassersportschule On Water in Mainz. Über mangelnde Teilnehmer kann er sich nicht beklagen, seine Bootsschulkurse sind ausgebucht. Bei ihm ist die Allgemeine Sorgfaltspflicht eine der ersten Regeln, die genannt wird.


Hoenes schätzt, dass sich allein die Zahl der Wakeboard-Boote in Mainz in den letzte zehn Jahren verfünffacht hat. Wo früher zwei Boote im Hafen lagen, liegen heute zehn - und dass nicht nur in Mainz. Es bleibe zu hoffen, so Hoenes, dass sich hier etwas tue - wie bei den Jet Skis selbst: Im Laufe der letzten zehn Jahre wurden deren laute Zweitaktmotoren durch leisere Viertaktmotoren ersetzt. Solange der Athlet keine Sprünge macht, bleibt es daher relativ leise.

Der Wassersportliebhaber wünscht sich dennoch eine Schallgrenze für Bootslärm, von dem er sich oft selbst belästigt fühlt. Von lauten Auspuffanlagen für Boote hält er nichts. "Bei jedem Boot kann der Auspuff einfach nach hinten rausgezogen werden, das erzeugt den Lärm. Aber anders als Autos haben alle Boote große Motoren - es ist also totaler Blödsinn sich über Motorengeräusche zu profilieren." Hoenes persönliches Motte ist: "Es kann jeder seinen Spaß haben, er sollte dabei aber an andere denken - denn wir sind Wassersportler und keine Motorbootproleten."


Er selbst hätte am liebsten eine leises Elektroboot: "Wenn wir Samstags bis zu acht Stunden auf dem Boot sind, bin ich selbst oft vom Motorengeräusch genervt. Was ihn abhält? Der Preis und die schlechte Fahrleistung. Zum Vergleich: Ein Elektroskateboard kostet 1.000 Euro, ein Elektrosurfbrett bereits 8.000 Euro - das muss aber nach 30 Minuten wieder an die Steckdose. Boote haben eine noch geringere Fahrleistung durch den Wasserwiderstand am Rumpf. "Man käme einfach nicht weit", bedauert Hoenes.


Der Inhaber der Wassersportschule sieht noch ein anderes Problem: "So mancher Bootsfahrer vergisst häufig seine Heckwelle. Fahren wir mit dem Auto durch eine Baustelle, ist die Gefahr gebannt, sobald wir diese hinter uns lassen. Wenn ich mit dem Boot an einem Ruderer vorbei fahre, kann ich ihn auch noch mit meiner Heckwelle versenken, wenn ich bereits 50 Meter weiter weg bin."


An die Tiere denken

Auch für Tiere bestehen Gefahren. Die Rheinaue zwischen Bingen und Mainz ist Vogelschutzgebiet und eine wichtige Brutregion für ziehende Wasservögel. Motorenlärm stört die sensible Arten beim Brüten mit der Gefahr, dass die Vögel ihre Brut aufgeben und sich dort auch künftig nicht mehr nieder lassen. Sie geben das Gebiet auf, erklärt Michael Markowski vom Naturschutzzentrum Rheinauen. Der Lärm scheuche störungsempfindliche Arten auf und lasse sie auffliegen, wodurch die Vögel Energie verlieren, die sie für ihre Weiterreise benötigen. Das Gebiet wird als Lebensraum für sensible Arten unbrauchbar.


Das hohe Bootsaukommen und die hohen Geschwindigkeiten behinderen nahrungssuchende Taucher wie Kormorane und Möwen und störten ihre Lebensaktivitäten. Auch bestehe die Gefahr von Kollisionen mit Speedbooten, wenn die Vögel wieder auftauchen oder auf dem Wasser schlafen, erklärt der Naturschützer. Besonders gut ließe sich dies an der Mainzer Theodor Heuss Brücke beobachten. Finden die Tiere keinen Platz auf den Brückenpfählen, treiben sie eine Zeit schlafend auf dem Wasser, bis sie wieder auffliegen. Allein der Wellenschlag der Boote kann die Tiere am Ufer gefährden und Kleinfische gegen Steine schleudern und somit tödlich verletzen.



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