Versuch einer Publikumssoziologie queerer Theater-Ästhetiken zwischen Berliner Großstadt-Blase, niedersächsischem Mittelstadt-Publikum und Tübinger Aktivismus
Während sich dieser Schwerpunkt mit queeren Ästhetiken und Themen an Theatern auseinandersetzt, soll dieser Text vor allem auf das Publikum fokussieren. Wir stellen uns die Fragen: Wer ist das Publikum von queeren Stücken? Welche Städte haben queere Stücke im Programm? Und kommen diese Stücke beim Publikum an?
von Cecilia Hussinger und Lina Wölfel
Erschienen in: Theater der Zeit: Queeres Theater - Romeo Castellucci - Die Mysterien von Eleusis (09/2023)
Assoziationen: Debatte Dossier: Queeres Theater
Laut Relevanzmonitor Kultur von der Bertelsmann Stiftung geben 91 Prozent der Menschen in Deutschland an, dass es für sie von großer Relevanz sei, Kultur in Theaterhäusern für kommende Generationen zu erhalten. Vier von zehn jungen Erwachsenen drücken jedoch aus, dass sie nicht das Gefühl haben, dass sich die kulturellen Angebote an sie richten würden. Ich gehöre auch dazu. Ich bin in einem ostberliner Randbezirk aufgewachsen und Theater war immer Teil meines Coming of Age, ich bin praktisch mit Theater sozialisiert - sei es auf der Bühne im Jugendclub oder als Teil des Publikums. Auch ich stimme zu: Für einen erheblichen Eintrittspreis drei Stunden lang auf einem roten Samtsitz zu sitzen und sich schwerverständliche, glatte Stoffe anzuschauen, ist für mich und andere junge Menschen einfach nicht attraktiv genug.
Warum dann nicht queere Themen auf Bühnen bringen? Queerness ist so sichtbar wie noch nie, und gerade die Generation Z ist so queer wie noch keine andere Generation davor. Daraus lässt sich aber nicht schlussfolgern, dass Queerness ein Trend ist. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass queere Menschen und Lebensweisen schon immer da waren. Die Gesellschaft war schon immer vielfältiger, als sie aus der...