Als Dagmar Nord für sechs Wochen ins Krankenhaus musste, brachte sie ihre drei Katzen, im Gegensatz zu anderen Haustierbesitzern, nicht in die Tierpension. Stattdessen kümmerten sich insgesamt zwölf Katzensitter um ihre felligen Lieblinge: Der eine morgens, die andere abends und in jeder der darauffolgenden Wochen kamen zwei andere Personen für die Katzenbetreuung zu ihr nach Hause.
Nord ist Ehren-Vorsitzende des Katzen-Sitter-Clubs in Frankfurt. Dieser existiert bereits seit 1991 und das Konzept ist so simpel wie genial: Katzen werden bei Abwesenheit der Besitzer auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit durch andere Klub-Mitglieder betreut. Möchte man also verreisen, oder kann sich aus anderen Gründen nicht um das Wohl des eigenen Tieres kümmern, sucht man nach einer passenden Betreuung in den Mitgliederlisten des Klubs. Das Ganze ist quasi kostenlos; lediglich ein Mitgliedsbeitrag von zehn Euro im Jahr ist fällig. Innerhalb von dreißig Jahren haben so nun schon Tausende Betreuungsfälle stattgefunden.
„Wir sind alles Fachleute"Die Ehren-Vorsitzende macht deutlich: „Zuverlässigkeit ist das Wichtigste im Klub." Die Idee entstand, nachdem der Gründer seine Katze während des Urlaubs in einem Tierheim betreuen ließ. Er holte das Tier in denkbar schlechtem Zustand ab und entschied danach, dass er diese Erfahrung seinem Kater, aber auch anderen Artgenossen künftig ersparen wollte. Seitdem ist der Klub deutlich gewachsen und zählt knapp 400 Mitglieder mit ihren 500 Katzen. Diese können über vier Listen - aufgeteilt in Norden, Osten, Süden, Westen der Stadt - Betreuer in der eigenen Wohngegend suchen. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft sind aktuelle Impfungen der zu betreuenden Tiere gegen Katzenseuche und Katzenschnupfen, die durch Vorlage des Impfpasses nachzuweisen sind.
Spätestens eine Woche vor Abreise des Besitzers soll ein Treffen mit dem Katzensitter vereinbart werden. So erfährt dieser alles Wichtige zur Betreuung der Katze und lernt in diesem Zuge auch die Wohnung des Besitzers kennen. „Wenn man Glück hat, kommen die Katzen dann auch mal raus", sagt Nord. Zudem besteht bei einer längeren Abwesenheit die Möglichkeit, dass die zu betreuenden Katzen für eine Weile in die Wohnung des Sitters ziehen.
Laut Nord ist der große Vorteil des Klubs, dass alle Mitglieder Katzen-Experten seien. „Wir sind alles Fachleute. Der Katzensitter weiß, was zu tun ist, wenn die Katze nur einmal schief schaut", sagt die Ergotherapeutin im Ruhestand. Auch Julia Shirtliff, die seit über zehn Jahren Mitglied im Klub ist, habe mit dem Katzen-Sitter-Club genau die richtige Lösung für sich und ihre Katze gefunden. Sie habe über den harten Weg lernen müssen, wie stressanfällig Katzen seien: Ihren ersten Kater holte Shirtliff ganz ungeplant von einem Bauernhof. Der Urlaub war jedoch bereits geplant und so brachte Shirtliff Kater Fernando für die Zeit ihrer Abwesenheit in eine Tierpension. Als sie den Kater nach dem Urlaub abholte, sei dieser völlig traumatisiert gewesen.
Stress in der TierpensionEr habe aufgehört zu fressen, da er dort in einem Raum mit vielen anderen Katzen gehalten wurde. „Wir waren dauernd beim Tierarzt, es ging ihm wirklich elend", erzählt Shirtliff. Mehrere Tierärzte äußerten die Vermutung, dass es die angeborene Katzenkrankheit FIP sein könnte, die durch den Stress in der Tierpension ausgelöst wurde. „Das würde ich meiner Katze nie wieder antun", sagt Shirtliff. Sie betont aber, dass sie auch viele Besitzer kennt, die gute Erfahrungen mit Tierpensionen gemacht hätten.
Alle zwei Jahre werden Mitgliederversammlungen veranstaltet und alle zwei Monate findet ein Stammtisch statt. Die Mitglieder, die in den Listen registriert sind, werden angeschrieben oder angerufen, und über Ort und Datum des Treffens informiert. Shirtliff betreut den Stammtisch für den südlichen Teil der Stadt. Mittlerweile seien es über 60 Haushalte, die sie regelmäßig anschreibt. „Ich freue mich, wenn auch neue Leute dazu kommen", sagt Shirtliff. Trotzdem gebe es auch eine Kerngruppe, die an den Stammtischen teilnehme. Oftmals finde man über die Listen und den Stammtisch seine zwei bis drei festen Katzensitter. Shirtliff habe durch die Mitgliederlisten sogar ihre Nachbarn kennengelernt, die nur ein paar Häuser entfernt wohnen. „Das ist ein sehr schöner Nebeneffekt des Klubs", sagt sie. So könne man die Urlaubsplanung bestens miteinander absprechen.
Für den Notfall vorsorgenDie gelegentlichen Gesprächsrunden eignen sich auch, um die eigene Expertise des jahrelangen Katzenbesitzer-Daseins an andere Mitglieder weiterzugeben. Tierärzte seien deshalb fast immer Thema bei den Treffen. Auch Freundschaften können unter den Mitgliedern durch den Stammtisch entstehen. Vertrauensverhältnisse sind bei dieser Art der Betreuung unerlässlich. Denn man übergibt dem Katzensitter nicht nur die eigene Katze, sondern auch die eigene Wohnung. Dass das Vertrauensverhältnis jedoch nicht gebrochen wird, sei „ein ungeschriebenes Gesetz" im Katzen-Sitter-Club, sagt Mitglied Gabi von Pollandt.
Während viele die Katzenbetreuung regelmäßig in Anspruch nehmen, gibt es auch Mitglieder, die sich ausschließlich um andere Katzen kümmern. „Ich sitte für die Situation, falls ich mal ins Krankenhaus muss oder ähnliches und dann die Betreuung brauche", sagt von Pollandt. Sie kümmere sich gern um die Katzen der anderen Mitglieder und gehe regelmäßig zum Stammtisch. In den Urlaub nehme sie ihre Katze jedoch mit, weshalb sie nicht auf die Betreuung angewiesen ist.
Egal, weshalb man im Klub aktiv ist - ob es die Katzenbetreuung oder doch eher die Suche nach Gemeinschaft ist - man findet Gleichgesinnte, bei denen man die eigene Katze in guten Händen weiß. Schlussendlich sei es „die Liebe zur Katze, die alle im Klub vereint", bringt es von Pollandt auf den Punkt.