Ein lebensgroßer Plüschtier-Pikachu schlendert gemütlich durch die Gänge der gigantischen Messehalle. Wohin man schaut, befinden sich überdimensionale Banner mit Pokémon-Aufdrucken. Ein Stand mit Preisen, die wie in den Spielen auf einem Jahrmarkt gewonnen werden können, ist überfüllt mit Pokémon-Utensilien aller Art - von Stofftieren, über Sammelalben bis hin zu Pokébällen aus Plastik.
Rund 1300 Menschen aus 40 Ländern haben an diesem Wochenende in der Frankfurter Messehalle 6 zu den „Pokémon Europe International Championships" zusammengefunden. „Ich bin dieses Wochenende extra aus New York angereist", erzählt Joseph Ugarte, der sich als professionellen Pokémon-Spieler bezeichnet.
Pokémon ist ein in Japan erfundenes Spiel, das sich um das Sammeln und Trainieren der gleichnamigen Fantasiewesen dreht. Im Wettkampf versuchen die Spieler „Pokémon-Meister" zu werden. Sie lassen ihre „Poké-Monster" in Kämpfen gegeneinander antreten, um deren Fähigkeiten zu verbessern und gegen Pokémon anderer Trainer zu bestehen. Die Spieler müssen je nach Spiel acht oder 16 „Arenaleiter", also hochrangigere Spieler, besiegen, um als letzte Herausforderung der Elite der Pokémon-Liga gegenüberzutreten und den Titel des „Champions" zu erlangen. Diese Turniere werden inzwischen überall auf der Welt ausgetragen. Hier in Frankfurt sind achtzig 10 Meter langen Tische akkurat aufgereiht, an jedem der Tische können 16 Spieler Platz nehmen. Diese sitzen sich konzentriert im Duell gegenüber. Es herrscht eine kompetitive Atmosphäre - ähnlich wie bei einem Schachturnier.
Auch in anderen Spielformaten wie dem Sammelkartenspiel „TCG", die e-Sport Variante auf Video-Konsolen oder Pokémon-GO am Handy treten die Teilnehmer gegen einander an. Übertragen werden die Spiele auf dem Live-Streaming-Portal „Twitch" und auf drei überdimensionalen Bildschirmen am hinteren Ende der Messehalle. An den ersten Spieltagen treten zufällig ausgewählte Spieler auf der Bühne gegen einander an. Die Spieler werden im Wechsel mit den Ansichten ihrer Displays auf die Leinwände übertragen. In Zweierteams kommentieren Moderatoren sowohl das Sammelkartenspiel, sowie Pokémon-GO als auch das Spiel auf der Video-Konsole „Switch".
Die fünfzehn Jahre alte Kaya Lichtleitner hat sich den Titel als Pokémon-Weltmeisterin des Sammelkartenspiels bereits 2019 in Washington erkämpft. Dabei ist sie eine der wenigen Mädchen oder Frauen, die kompetitiv spielen. Es gäbe insgesamt deutlich weniger weibliche Pokémon-Spieler. „Ich fände es sehr schön, wenn sich andere Mädchen oder Frauen durch meinen Sieg animiert fühlen, auch Pokémon zu spielen", sagt Kaya.
Auf der Veranstaltung tummeln sich kleine Kinder und bis zu über 60 Jahre alte Enthusiasten. Von Personen mit bunten Kleidern mit Poké-Monster-Aufdruck und Plüschtieren auf den Schultern, bis hin zu schick gekleideten Männern im Rollkragenpullover und Siegelring. „Die Community ist offen für alles, die Diversität zeichnet Pokémon irgendwie aus", sagt Cetin Yildirim, der als Schiedsrichter die Sammelkartenspiele beobachtet. Pokémon sei zudem sehr bekannt. „Es ist nicht unbedingt eine Nische, wenn es eine Messehalle füllen kann", sagt Yildirim.
Auch der sechsundzwanzigjährige Robin Schulz, der Weltmeister im Sammelkartenspiel im Jahr 2018 wurde, ist der Meinung, dass die Pokémon-Szene in den letzten Jahren gewachsen ist. „Die Turniere sind größer geworden, ich höre auch viel mehr von Pokémon in der Öffentlichkeit als bei meinen Anfängen vor zehn Jahren", sagt der Mathematikstudent.
Alle drei Monate erscheinen neue Karten, durch die wiederum neue Strategien möglich werden. Es sei zwar möglich, das gleiche Kartendeck ein ganzes Jahr lang zu spielen, Schulz kauft meistens dennoch die Karten, die wertvoll sein könnten. Pokémon bereitet ihm auch nach all den Jahren noch großen Spaß. „Es ist strategisch, aber dennoch hat es Zufallselemente", sagt Schulz. Jedes Spiel sei anders als das, was man zuvor gespielt habe.