Jubel für Südafrikas Regierungspartei ANC. Vor vollen Rängen des Fußballstadions in Durban stellt sie ihr Wahlkampfprogramm vor. Mit auf der Bühne, Ex-Präsident Jacob Zuma. Es scheint, als hätte es die erdrückenden Korruptionsvorwürfe gegen ihn nie gegeben. Die Zuschauer feiern ihn. Der amtierende Präsident Cyril Ramaphosa geht nicht auf Distanz. Ein Zeichen, für das Dilemma, in dem Ramaphosa stecke, meint Politikwissenschaftler Lukhona Mnguni.
„Ramaphosa
bemüht sich, Einheit in seiner Partei herzustellen. Deshalb will er Zuma
offenbar nicht komplett ausschließen. Doch die demonstrierte Einheit wirkt
aufgesetzt. Es gibt noch immer Kräfte im ANC, die Ramaphosa wieder loswerden
wollen. Auch in seinem Kabinett sitzen weiterhin Minister aus der Zuma-Zeit.
Trotz Forderungen, dass sie wegen korrupter Machenschaften und Missmanagement
abtreten sollten.“
In seiner Rede zur Lage der Nation spricht Ramaphosa an, welchen Scherbenhaufen die Zuma-Administration in Südafrika hinterlassen hat. Er spricht von verspieltem Vertrauen, verlorener Integrität, himmelschreiender Misswirtschaft. Ohne jedoch Namen zu nennen.
Alle Bemühungen, Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit zu beseitigen, seien wirkungslos, wenn die Korruption nicht bewältigt werde, so Ramaphosa. Korruption bedrohe das demokratische Fundament Südafrikas. Schuldige müssten zur Rechenschaft gezogen und veruntreute staatliche Gelder zurückgewonnen werden.
Das ist jedoch eine Mammutaufgabe. Seit August letzten Jahres versucht ein Untersuchungsausschuss das korrupte Geflecht der sogenannten ‚State Capture‘, zu entwirren; eines gekaperten Staates. Im Mittelpunkt: Jacob Zuma, die Unternehmerfamilie Gupta und seit den neuesten Enthüllungen die Sicherheitsfirma Bosasa. Zeugen, darunter ehemalige Minister, haben minutiös über massive Einflussnahme bei der Besetzung wichtiger Posten und der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgesagt. Über Schmiergelder und die Unterwanderung der Strafverfolgungs- und Steuerbehörden. Doch das sei erst die Spitze des Eisberges, meint Lukhona Mnguni.
„Es wird noch mehr Enthüllungen über das Ausmaß dieser Machenschaften geben: Wie diese Leute staatliche Kassen geplündert und Institutionen für ihre eigenen Interessen umfunktioniert haben, um so viel Reichtum anzuhäufen, wie möglich. Leider beschäftigt sich die Kommission nur mit Korruption auf nationaler Ebene. Dabei gibt es das gleiche Phänomen auch in den Städten und Gemeinden. Aber ich erhoffe mir vor allem mit Blick auf die Staatskonzerne neue Erkenntnisse.“
Die
Staatskonzerne wurden von der korrupten Machtclique aus Politik und Wirtschaft
regelrecht ausgenommen. Von der Fluggesellschaft South African Airways und der
Eisenbahngesellschaft Transnet bis zum Rüstungskonzern Denel und Stromversorger
Eskom. Letzteren will Ramaphosa nun umstrukturieren, um weiteren Schaden
abzuwenden.
„Der Schaden ist astronomisch. Das wissen wir jetzt schon, obwohl es noch keine konkreten Summen gibt. Die Regierung hat zwar bereits viele der alten Vorstände abgesetzt, aber sie muss auch das Mandat und die gesetzliche Grundlage dieser Unternehmen prüfen. Denn die Strukturen waren schon lange derart anfällig, dass es ein Leichtes war, sie für korrupte Machenschaften auszunutzen.“
Die
Staatskonzerne sind zu einer schweren Bürde für Südafrika geworden. Geld, das
eigentlich dringend für Infrastruktur gebraucht worden wäre, ist im korrupten
Sumpf verschwunden. Der ANC werde nie entschlossen gegen Korruption vorgehen,
heißt es von der politischen Opposition. Ein Wahlsieg gegen den selbst
ernannten Erneuerer Ramaphosa sei jedoch unwahrscheinlich, bilanziert Lukhona
Mnguni.
„Ich gehe fest davon aus, dass der ANC wieder über die Hälfte der Stimmen gewinnt. Die Euphorie rund um Ramaphosa ist zwar abgekühlt, aber er hat wieder etwas Hoffnung geweckt. Er wirkt glaubwürdig, wenn er sagt, dass er die Korruption bis an die Wurzel bekämpfen wird. Aber er hat es hier nicht nur mit einzelnen Fällen, sondern einem ganzen System zu tun. Junge Leute werden ANC-Mitglieder, weil sie einem opulenten Lifestyle nacheifern. Sie sehen die Partei wie eine Maschine, die Geld druckt, weil sie so nah mit dem Staat verbunden ist.“
Der ANC regiert Südafrika schon seit der demokratischen Wende vor 25 Jahren. Die Korruption hat sich auf allen Ebenen der Partei breit gemacht. Die einst ehrenwerte Befreiungsbewegung ist zu einer Art Selbstbedienungsladen verkommen. Nelson Mandelas politischem Ziehsohn, Cyril Ramaphosa, wird es nicht leicht fallen, seine Partei und sein Land wieder auf den ursprünglichen Kurs zurückzuführen.SRF | Echo der Zeit | 22.2.2019
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