Jeden Tag werden in Südafrika nahezu drei Nashörner von Wilderern getötet. Da Ranger allein diesen Kampf nicht gewinnen können, ziehen einige der Tiere nun ins Exil. Das Projekt „Rhinos without Borders“ will über mehrere Jahre insgesamt 100 Nashörner von Südafrika ins vergleichsweise sichere Nachbarland Botswana bringen. Leonie March hat die Umsiedelungsaktion ein Stück begleitet.
Ein Hubschrauber kreist über der weiten Buschlandschaft. Der Himmel ist bewölkt. Die Luft kühl und klar. Ein perfekter Tag, um Nashörner einzufangen, sagt Grant Tracy, Experte im Transport von Wildtieren.
"Unser größter Feind ist die Hitze. Denn ein betäubtes Tier kann seine Körpertemperatur nicht mehr selbst regulieren. Wichtig ist auch, dass es in einer Gegend zu Boden geht, die wir mit unseren Transportern gut erreichen können. Es ist also echte Präzisionsarbeit."Der Hubschrauber scheint die richtige Position gefunden zu haben. Ein Tierarzt lehnt sich heraus, schießt und trifft. Der Betäubungspfeil steckt im Hinterteil des Nashorns. Es galoppiert ein kurzes Stück und bleibt ein paar Minuten später torkelnd stehen.Vorsichtig pirschen sich Tracy und sein Team am Boden an. Sie legen dem Nashorn eine Augenbinde an und verschließen seine empfindlichen Ohren mit extra-großen Stöpseln. Das reduziere den Stresspegel, erklärt Les Carlisle, Projektleiter von „Rhinos without Borders“ und Mitbegründer des privaten Wildreservats Phinda in Südafrika. Behutsam legt er seine Hand auf die ledrige Haut des Nashorns.
"Früher war dieses Wildreservat eine Rinderfarm. Vor 25 Jahren haben wir hier in einer ähnlichen Aktion die ersten 21 Nashörner aus benachbarten Parks angesiedelt. Deshalb ist das für mich ein emotionaler Moment. Die Tiere haben sich hier unter liebevoller Fürsorge vermehrt und ziehen nun in ein anderes Land, um die gesamte Art zu retten. Das ist eine bewährte Methode: Anfang des 19. Jahrhunderts waren weltweit gerade einmal 50 dieser Breitmaulnashörner übrig. Dank eines südafrikanischen Zucht- und Umsiedlungsprogramms gibt es heute wieder rund 20.000. Die Unannehmlichkeiten, die dieses Tier gerade in Kauf nehmen muss, kommen also letztlich allen Nashörnern zugute."
Langsam geht der Dickhäuter in die Knie. Sein Atem geht schwer aber gleichmäßig. Routiniert überprüfen Carlisle und seine Kollegen Atmung und Blutdruck, nehmen DNA-Proben und stanzen eine Markierung ins Ohr. Ein Tierarzt nutzt die Gelegenheit und behandelt kleinere Wunden und Zeckenbisse. Jeder Handgriff sitzt. Schließlich soll die Narkose nicht länger dauern als unbedingt nötig.
Die
Männer betten den massigen Kopf des Tieres auf einen Holzblock, das armlange
Horn ragt wie ein Mahnmal gen Himmel. Für Wilderer wäre dieses Weibchen ein
profitabler Fang, sagt Simon Naylor zynisch. Als Conservation Manager ist er
für das Wohlergehen der Tiere in Phinda verantwortlich.
"Wir haben hier in Phinda seit dem Beginn der Krise im Jahr 2008 nur sieben Nashörner verloren. Das ist vergleichsweise wenig und zeigt, dass unsere Sicherheitsmaßnahmen greifen. Doch Patrouillen allein reichen nicht mehr. Im letzten Jahr haben wir damit begonnen, unseren Nashörnern zu ihrem eigenen Schutz die Hörner abzusägen. Das ist drastisch, aber notwendig. In mehreren, auch benachbarten Parks haben Wilderer die Nashörner bereits ausgerottet. Die Nachfrage und der Wert der Hörner steigen weiter und damit wächst auch das Risiko für uns. Wir rücken zunehmend ins Visier der Wilderer."
Der Südafrikaner setzt eine Säge an das mächtige Horn an. Es muss gestutzt werden. Nicht um Wilderer abzuschrecken, sondern damit sich das Tier beim Transport nicht verletzt. Außerdem wird ein Sender implantiert, mit dem das Nashorn jederzeit geortet werden kann. Weiße Späne des Rhinozeros-Horns wehen davon. Es riecht nach angesengten Fingernägeln. Schließlich besteht das Horn nur aus Keratin wie unsere Haare und Nägel. Und genauso wie Haare und Nägel wächst das Horn wieder nach. Mehr steckt nicht hinter dem angeblichen Wundermittel, für das in Südafrika jeden Tag fast drei Tiere brutal abgeschlachtet werden.Der Tierarzt spritzt das Gegenmittel in eine Vene am Ohr. Innerhalb weniger Minuten erwacht das Nashorn aus seiner Betäubung und richtet sich auf. Noch immer etwas wacklig auf den Beinen und mit verbundenen Augen lässt es sich von den Männern in einen Schiffscontainer führen.Nach einer kurzen Fahrt tritt das Tier polternd vom Container in ein Gehege, in dem bereits elf andere Nashörner gemütlich grasen. Nach der Quarantäne werden sie gemeinsam nach Botswana ausgeflogen. Dort würden sie in den nächsten Jahren auf Schritt und Tritt überwacht, betont Map Ives, der für die Ansiedlung der Tiere in Botswana zuständig ist.
"Mit den implantierten Peilsendern wissen wir 24 Stunden am Tag, wo sich die Nashörner aufhalten. Wir haben eine ideale Gegend für sie gefunden, in der sie sicher sind und alles haben, was sich ein Nashorn nur wünschen kann: genügend Futter, Wasser und Schatten. Unser Ziel ist es, dass sie sich dort optimal vermehren. Die genetische Vielfalt ist deshalb auch ausschlaggebend. So wollen wir die Zukunftsperspektive dieser bedrohten Art entscheidend verbessern."
Regierung und Armee in Botswana weiß Ives im Kampf gegen die Wilderei auf seiner Seite. Dort leben bisher eher wenige Nashörner. Ives‘ Traum ist es, dass Botswana einmal selbst Tiere in andere Länder umsiedeln kann.
SRF | Echo der Zeit | 2.4.2017 und Tonreisen | 15.4.2017
Rétablir l'original