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Markus Bartz wagt den Sprung auf die Festival-Bühne

Musik im Wohnzimmer: Markus Bartz und seine Band haben hier Schlagzeug, Klavier und ein digitales Mischpult aufgebaut Foto: Leon Kirschgens

Markus Bartz wagt den Sprung auf die Festival-Bühne


Noch vor wenigen Monaten hatte der Heinsberger Markus Bartz gerade einmal zwei Songs herausgebracht. Jetzt tritt er auf dem Kimiko-Festival auf. Was ein Bauernhof und die Kunst des „Sich-schmutzig-Machens“ damit zu tun haben.


Ein paar Tage vor dem Auftritt, der Markus Bartz das Sprungbrett einer Musikkarriere bieten könnte, steht er mit einem Lächeln auf den Lippen auf einem Bauernhof und spielt: Tischtennis. Eigentlich müsste Bartz jetzt mal den Schläger aus der Hand legen und zurück an den Laptop – viel Zeit bleibt nicht mehr, Details an den Songs fehlen noch, das Feintuning steht noch aus. Aber Bartz wäre nicht er, wenn er nicht noch etwas an der Tischtennisplatte stehen bliebe, grinst, den gelben Ball in die Hand nimmt und noch einmal aufschlägt. Die Arbeit kann noch etwas warten.


Markus Bartz, 26 Jahre alt und mit Künstlernamen „Makke“, hat das schulterlange braune Haar zum Dutt gebunden und ist eine Überraschung auf dem diesjährigen Aachener Kimiko-Festival. Am Sonntag wird er, der vor wenigen Monaten gerade einmal zwei Songs veröffentlicht hatte, auf der Mainstage stehen. Andere würden so in keiner Kneipe auftreten; Bartz wird dann vor tausenden Leuten singen. Und manch einer wird sich vielleicht die Augen reiben: Wie ist Bartz in nur einem Jahr zum Festival-Newcomer geworden?


Vielleicht lässt sich Bartz rasante Entwicklung etwas besser verstehen, wenn man ihn über jenen Bauernhof folgt, auf dem Bartz gerade Tischtennis spielt. In der Idylle von Waldfeucht-Schöndorf bei Heinsberg, zwischen Erdbeerfeldern und geschwungenen Landstraßen, ist Bartz zu Hause. Als Kind hat er hier den Pfarrbrief verteilt und zwei Orte weiter die Musikschule besucht. Zum nächsten Bäcker sind es knapp zwei Kilometer, nach Aachen 50. Bartz legt den Tischtennisschläger ab und betritt zehn Schritte weiter das Bauernhaus, in dem vor einem halben Jahr noch sein verstorbener Großvater lebte. An der Wand hängen noch ausgeschnittene Zeitungsschnipsel: Der junge Markus beim Auftritt in der Gemeindehalle, etwas später dann der Sieg beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“. Eine Tür weiter im Wohnzimmer verlaufen kreuz und quer Kabel auf dem Boden. Bartz und seine Band haben hier Schlagzeug, Klavier und ein digitales Mischpult aufgebaut. Der alte Wohnzimmerschrank und der Perserteppich sind noch drin. Von der Decke hängen selbstgebaute Schalldämpfer aus Stahlwolle. Und meistens schläft Bartz gleich nebenan auf der Couch. „Das ist alles etwas improvisiert“, sagt er.


Aber vielleicht ist ja genau das sein Erfolgsgeheimnis.


Denn wenn Bartz über den Hof spaziert, scheint die Musik nur ein Projekt unter vielen zu sein: In der Werkstatt werkelt er an einem tragbaren Klavierträger, morgens füttert er die Ziegen vorm Haus und nachmittags spielt er eben auch mal Tischtennis. Die Außenwelt bekommt davon mit, weil er vieles auf Instagram festhält: Bartz auf dem Traktor, Bartz mit Pferden auf der Wiese, Bartz, wie er seinen Wochenplan mit Kreide auf die rote Backsteinwand malt. Und manchmal malt er auch Bilder auf Leinwand. Sie stehen dann direkt hinter der grünen Hoftür im Flur. Kreativität steht hier an erster Stelle; direkt im Eingang. Und irgendwo zwischen all dem sitzt Bartz dann wieder am Laptop, um weiter an seinen Songs zu basteln.


Basteln ist hier fast wörtlich zu verstehen, denn seine Musik ist genauso Do-it-yourself wie das Leben, das er hier führt. In seinem Song „Clock Schock“ singt er von der beklemmenden Enge der Leistungsgesellschaft und davon, endlich mal die innere „Pfütze“ auszuschütten: „Spiegel dich darin, schmutzig siehst du schöner aus.“ Bartz meint das so: „So vieles steht gerade auf dem Spiel. Und ebenso viele schauen tatenlos zu. Ich will, dass die Leute endlich wagen, für etwas einzustehen und mitanzupacken – sich eben mal schmutzig machen.“

All das passt in dieses Leben auf dem Hof, in dieses Singer-Songwriter-Wohnzimmer, wo Bartz drei Türen weiter in der Werkstatt als Elfjähriger Holz verleimt hat. Wo schmutzig machen nicht nur eine Zeile im Song, sondern die tägliche Routine ist. Hier ist Bartz er selbst. Mal Musiker, mal Handwerker. Etwas improvisiert, aber liebevoll. Hauptsache, authentisch.


Vielleicht ist es genau das, was ihn fast wie im Selbstläufer auf die Bühne des Kimiko-Festivals gehievt hat: Bartz lebt vor, womit so viele seiner Millennial-Generation – hip, politisch aktiv und der nächsten Sinnkrise nie allzu weit weg – liebäugeln: Nach dem Studium raus aus der Enge der Stadt, mit dem ersten Job den eigenen kleinen Traum auf dem Land verwirklichen. Oder zumindest davon träumen. Man könnte auch sagen: In seinen Songs spricht Bartz die Nöte und Sehnsüchte seiner Generation an. Und auf dem Bauernhof zeigt er, wie man sie stillt. Wenn die Songs sein Produkt sind, ist der Lebensstil sein Markenzeichen. Beim Selbstverwirklichen muss sich Bartz nur zuschauen lassen.


Und so bekommt auch sein Künstlername etwas mehr Bedeutung. Makke sei nicht nur der lässige Ausdruck von Markus. „Es ist eine Annäherung an den Begriff Macke, von denen wir alle eine Menge haben und bei denen uns beigebracht wurde, sie zu vertuschen, nicht wahr?“, fragt Bartz spitz. „Dabei sind das doch unsere interessanten Charakterzüge. Wir sollten zu ihnen stehen und sie nach außen kehren.“ So wie er selbst, der als Kind häufig aus der Klasse geworfen wurde, wenn er mit dem Finger auf dem Tisch getrommelt hat, heute aber jene Hibbeligkeit auslebt, wenn er kurz Pause macht und den gelben Schaumstoffball über die Ziegel des Bauernhofs kickt.


Schwierig wird das Ganze nur, wenn sein Auftritt auf dem Kimiko-Festival tatsächlich so etwas wie ein Durchbruch wird. Dann winkt die schier grenzenlose Weite der Musikindustrie. Die meisten Newcomer zieht’s nach Berlin. Bartz also in der Anonymität der Großstadt? Bei dem Gedanken zweifelt er. „In Berlin ist man dann ganz schnell wieder einer unter Tausenden“, sagt er. Andererseits: „Mit etwas Glück eröffnet die dortige Szene auch ganz neue Chancen.“


Chancen, die sich wohl so unverhofft auftun, wie sein bevorstehender Auftritt auf dem Kimiko-Festival: Vor einem Jahr stand Bartz noch dort im Publikum. Im Gedrängel sagte er zu seinen Freunden: „Nächstes Jahr werde ich auf dieser Bühne stehen, versprochen“ – mit einem Lachen, das ahnen ließ: Ob das gelingt, da ist er sich nicht sicher.


Jetzt aber ist es das.
Sonntag, 14:45 Uhr, Mainstage.






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