Abgesehen von den Fragen des Bildausschnittes hat sich am Seminar nicht viel geändert. Die Technik (Zoom) funktioniert zuverlässig, wir können die 90 Minuten vollständig nutzen. Es gibt Referate, die Diskussionen sind rege, die Professoren moderieren und man schreibt fleißig mit. Am Ende verlässt man den digitalen Seminarraum klüger, als man ihn betreten hat. Eines fällt aber auf: Die Schwachstellen der Seminare verschärfen sich. Es ist immer verlockend, aus dem Fenster zu schauen statt zuzuhören. Im Uni-Raum siegt der Anstand, im digitalen Raum merkt es niemand, wenn man an der Kamera vorbeischaut. Gleichzeitig ist es viel wichtiger als sonst, höflich zu sein und einander aussprechen zu lassen. Man kann niemandem elegant ins Wort grätschen und hitzige Wortgefechte bleiben aus. Vielleicht hatte man genau davor Angst, als man digitale Uni-Seminare noch für unmöglich hielt.
Literaturwissenschaftler haben ein schwieriges Verhältnis zum Digitalen. Zwar weiß man um die Vorteile des digitalen Arbeitens, man betont aber stets dessen Nachteile. Die persönliche Diskussion im Seminarraum wird als Grundlage des Erkenntnisfortschritts gepriesen. Corona zeigt, dass der Digital-Pessimismus übertrieben ist.
Leon Igel, 24 Jahre, Master Germanistik, 2. FS
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