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Kaltes Wasser, kaputte Türen: Mieter klagen über Verwahrlosung

„Das ist Wahnsinn", sagt Sami. Seinen Nachnamen will er nicht nennen, schließlich ist er erst frisch in den Körner Hellweg 97 eingezogen. Kopfschüttelnd führt er am Freitag (7.8.) zusammen mit Bewohner Joachim Palm durch das Treppenhaus und die Flure. Am 3. August zog er nach Dortmund - und hat seitdem keine einzige Nacht in seiner Wohnung verbracht.

Kurz bevor er einzog, kam es in dem Haus zu einem Kellerbrand, seitdem fehle das warme Wasser und etliche Mieter lebten ohne Strom. Doch das seien längst nicht die einzigen Makel, die ihn von seiner eigenen Wohnung fernhalten.

Feuer Ende August verrauchte das Haus - nicht überall geht der Feueralarm los

In der Nacht zum 25. August ging um 0.45 Uhr bei der Feuerwehr Dortmund ein Notruf ein. Im Körner Hellweg 97 brannten vier Autoreifen im Keller. Das Treppenhaus war verraucht, eine Person kam wegen einer Rauchvergiftung kurzzeitig ins Krankenhaus.

Während manche Bewohner durch den Feueralarm in ihren Zimmern alarmiert wurden, schlief Joachim Palm weiter, trotz des Feuers die Nacht durch. Der Feuermelder im verrauchten Treppenhaus, sagt Palm, habe keinen Alarm geschlagen. In seinem Zimmer sei zudem trotz gesetzlicher Anordnung kein Rauchmelder eingebaut.

Wäre der Brand schlimmer gewesen, empört sich Palm, hätte er im Schlaf ersticken können. Nach dem Brand sei das Treppenhaus tagelang verrußt gewesen. Die Feuertüren zu den Fluren seien sperrangelweit offen gewesen.

Bereits im Mai brannte es im Treppenhaus

Die Autoreifen, sagt Palm, seien schon monatelang unter der Kellertreppe gewesen. Immer wieder beschwerte er sich deshalb bei der Hausverwaltung, seinen Angaben nach ohne, dass sich daran etwas änderte. Seit dem Brand habe niemand im Haus mehr warmes Wasser und die Hälfte der Bewohner noch nicht einmal Strom.

Die Polizei ermittelt seit dem Brand im August wegen schwerer Brandstiftung. Zwei Monate vorher, am 21. Juni, brannte es ebenfalls in dem Haus: Ein Teppich, der als Unrat im Treppenhaus auf der 3. Etage lag, ging in Flammen auf. Auch über den Müll beschwerte sich Palm vor dem Brand erfolglos bei der Hausverwaltung.

Seit dem Brand sei zudem der Feuermelder im Flur kaputt. Nach dem Brand lagen die Überreste des Unrats laut Palm noch zwei Wochen im Treppenhaus, bis sie weggeräumt wurden.

„Die vermieten Wohnungen, die nicht bewohnbar sind"

Doch laut Palm und Sami war der letzte Brand nur ein weiterer Tropfen in einem längst überlaufenden Fass: „Hier sind Riesenprobleme. Das Feuer ist nur eines davon."

Sie gehen durch die Flure und zeigen auf die Türen der Mieter: Eine steht mit kaputtem Rahmen offen, obwohl niemand zuhause ist. Die beiden Türen schräg gegenüber haben Aufbruchspuren. Samis Wohnungstür sieht ähnlich aus. „Ich kann meine Tür abschließen, so viel ich will - wenn da einer gegenhustet, geht die auf", sagt der 35-Jährige. Zur Demonstration drückt er mit dem Finger gegen die nachgebende Wohnungstür. „Die vermieten Wohnungen, die nicht bewohnbar sind", bekräftigt Palm.

Sami zog erst vor wenigen Tagen nach Dortmund, um näher bei seinen Töchtern zu sein. Die erste Nacht, sagt er, sei er in eine Obdachlosenunterkunft gegangen. Seither schlafe er im Hotel. „Hier kann ich meine Töchter nicht herholen", sagt er. „Man kann hier ohne Einbruchsspuren einfach eindringen."

Direkt gegenüber von Samis Tür hat jemand in kindlicher Druckschrift einen Zettel an die Wohnungstür geklebt: Der Bewohner sei bis Ende August verreist. Seine Wohnungstür steht weit offen, ebenso die Haustür an der Straße.

Dreckiges Treppenhaus und teils unangenehme Nachbarschaft

Auch wenn das Treppenhaus mittlerweile von dem Ruß befreit wurde, ist es noch kein einladender Anblick: Dreck an den Fenstern dimmt das Licht, die Fenstergriffe sind abmontiert, an den Treppen blättern die Fliesen ab und an der Decke die Tapete.

In dem Haus am Körner Hellweg will Sami auf keinen Fall blieben. „Ich habe 1000 Euro Kaution bezahlt", schimpft Sami. „Wofür? Für eine kaputte Tür?"

Beide Mieter berichten, dass in dem Haus eine meist schwierige Nachbarschaft herrsche. Es gäbe viel Lärm und Streitereien, ein Teil der Bewohner sei in psychiatrischer Behandlung. Ein Großteil der Mieter empfange Sozialleistungen und könne sich daher nur eine Ein-Zimmer-Wohnung leisten.

Zudem komme hier „jeden zweiten Tag" die Polizei, so Palm. Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt die Polizei, dass es in den vergangenen fünf Wochen „schon ein paar Einsätze" an dieser Adresse gegeben habe. Zwei Tage nach unserem Besuch am Körner Hellweg, am 9. August, rückten die Beamten erneut aus: Einbruch. Aus einer Wohnung wurden sämtliche Wertsachen gestohlen.

Streit mit den Vermietern

Ein weiteres Problem in diesem Haus sei die Hohe Anzahl an Ansprechpartnern. Sechs Personen seien es, die hier Wohnungen vermitteln. An Geld fehle es denen laut Sami nicht: Sein Vermieter und dessen Partner seien in Luxusautos vorgefahren.

Palm sagt, er wolle die Mietbedingungen nicht mehr akzeptieren - er reicht Beschwerden ein, immer wieder. Das hat für ihn Konsequenzen: Sami berichtet von einer Unterhaltung zwischen Palm und Samis Vermieter, der sich Palm als Hausbesitzer vorgestellt habe.

Nachdem Palm die Mängel des Hauses ansprach, soll dieser Palm gedroht haben: „Wenn ich nach Hause komme, rufe ich Ihren Vermieter an und dann fliegen Sie als erstes raus".

Unsere Redaktion hat den beschriebenen Mann, der Samis Vermieter ist und sich gegenüber Palm als Hausbesitzer vorstellte, kontaktiert, um ihn mit den Vorwürfen zu konfrontieren und seine Stellungnahme einzuholen. Der Mann weigerte sich am Telefon jedoch, die Vorwürfe von Sami und Palm anzuhören und dazu Stellung zu nehmen. Zudem drohte er mit rechtlichen Schritten, sollte ein Redaktionsmitglied widerrechtlich sein Grundstück betreten haben. Dies ist nicht geschehen, da unsere Redaktion explizit auf Einladung der Mieter im Haus war.

Der Vermieter von Herrn Palm, der offenbar ein anderer ist, sowie die Hausverwaltung konnten bis zum Redaktionsschluss dieses Textes (10.8., 18 Uhr) nicht erreicht werden.

Auf Nachfrage sagt die Stadt Dortmund, das Haus sei ihr bisher nicht bekannt gewesen, es handele sich nicht um eine der bekannten Problemimmobilien. Man werde nun aber das Ordnungsamt dort vorbeischicken, um die Situation vor Ort zu überprüfen.

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