Eine Gruppe junger Amerikaner versucht, die US-Regierung mit einer Klage zu mehr Klimaschutz zu zwingen. Der 19-jährige Nathan Baring aus Alaska ist einer von ihnen.
In Deutschland nutzt die Bewegung Fridays for Future vor allem eine Protestform, um mehr Klimaschutz einzufordern: den Schulstreik. In den USA verfolgen 21 Jugendliche eine andere Strategie. Angeleitet von der Organisation Our Children's Trust haben sie vor vier Jahren Klage gegen die amerikanische Regierung eingereicht.
Der Vorwurf: Die Regierungen seit Präsident John F. Kennedy hätten die Zerstörung eines intakten Klimasystems in Kauf genommen, um die Nutzung von fossilen Brennstoffen zu fördern. Die Forderung: ein Klimaerholungsplan, der den CO2-Ausstoß senkt und die Menge an bereits ausgestoßenem CO2 in der Atmosphäre reduziert. Außerdem sollen künftig alle Entscheidungen der Regierung die Auswirkungen auf das Klima berücksichtigen.
Nathan Baring war 15 Jahre alt, als er sich der Klage anschloss. Inzwischen ist er 19, studiert an der University of Minnesota und kämpft immer noch für mehr Klimaschutz - vor Gericht, aber auch an seiner Uni und in seiner Heimat Alaska.
ZEIT Campus ONLINE: Nathan, seit 2015 führst du mit 20 anderen Jugendlichen eine Klage gegen die US-Regierung. Wie sehr beeinflusst das dein Leben?
Nathan Baring: Gefühlt dreht sich jede Unterhaltung, die ich führe, um dieses Thema. Manchmal gehe ich nicht zum Unterricht, um zum Beispiel auf einer Konferenz zu sprechen. Aber ich gebe mir große Mühe, dass mein Leben in möglichst normalen Bahnen verläuft. Manchmal wäre ich schon gern mehr als nur das Klima-Kid.
ZEIT Campus ONLINE: Wann hast du angefangen, dich für den Klimaschutz zu engagieren?
Nathan: Ich bin Aktivist, seit ich 13 bin. Ich hatte es satt, dass mir niemand zuhörte, dass ich keine politische Stimme hatte. Inzwischen kann ich zwar wählen, aber damals machte es mich wütend, dass alle Entscheidungen, die die Zukunft und das Klima betreffen, ohne die Generation gefällt werden, die es am härtesten trifft.
ZEIT Campus ONLINE: Wie hast du den Klimawandel in deiner Kindheit und Jugend erlebt?
Nathan: Ich komme aus Fairbanks, der zweitgrößten Stadt in . Den Klimawandel sieht man dort überall: Der Permafrost schmilzt, die Jahreszeiten werden milder. Dieser Frühling war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Durch das mildere Klima haben sich die Wachstumszyklen der Pflanzen verändert, meine Birkenpollenallergie ist viel schlimmer geworden. Auf einmal gibt es Zecken hier im Norden, oder Käfer, die ganze Wälder zerstören. An der Küste müssen ganze Dörfer umsiedeln, weil das Meereseis schmilzt und die Erosion zunimmt, wenn kraftvolle Meeresstürme auf die Küste prallen. 2015 gab es einen Eissturm, Bäume stürzten auf die Stromleitungen und wir hatten gut eine Woche keine Elektrizität - und das bei 18 Grad Fahrenheit, also minus 7 Grad Celsius.
ZEIT Campus ONLINE: Dass der Klimawandel extreme Auswirkungen hat, zeigt sich auch in anderen Regionen. Aber warum ist daran die amerikanische Regierung schuld?
Nathan: Die Vereinigten Staaten haben bislang mehr CO2 ausgestoßen als jedes andere Land auf der Welt, noch immer sind wir unter den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen. Aber viel wichtiger: Seit der Präsidentschaft von John F. Kennedy wissen die US-Regierungen, dass fossile Brennstoffe schädlich für unsere Zukunft sind. Die Verfassung und die Zusatzartikel garantieren uns ein Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum. Außerdem hat die Regierung die Verantwortung für öffentliche Güter wie sauberes Wasser und saubere Luft. Wir gehen einen Schritt weiter und interpretieren die Verfassung so, dass sie uns auch das Recht auf ein intaktes und stabiles Klimasystem gibt. Und dass es die Aufgabe der Regierung ist, dies zu schützen. Das ist die Basis unserer Klage.
ZEIT Campus ONLINE: Als ihr die Klage eingereicht habt, war Barack Obama noch Präsident. Er hat unter anderem das Pariser Klimaabkommen gefördert und mitunterschrieben. Warum hattet ihr trotzdem das Gefühl, klagen zu müssen?
Nathan: Über Jahrzehnte hinweg hat jeder Präsident, egal welcher Partei er angehörte, dazu beigetragen, dass unser Klimasystem sich verändert hat und instabil wurde. Jede Regierung hat den Anstieg der Treibhausgasemissionen befördert, wissend, was das anrichten wird. Natürlich ist das Pariser Klimaabkommen ein großartiger erster Schritt, und vor allem die Länder, die - anders als die - noch Teil des Abkommens sind, bekommen meinen Beifall. Aber trotzdem hat Obamas Politik teilweise dazu geführt, dass die Energieindustrie sich weiter festgefahren hat in ihren alten Mustern. Außerdem klagen wir ja nicht gegen den Präsidenten, sondern die Exekutive - unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt.