Wenn mich jemand fragt, womit ich eigentlich mein Geld verdiene, sage ich: Musikjournalist. Meistens schiebe ich hinterher, dass ich überwiegend über wirtschaftliche Themen schreibe. Und weil auch das meistens mit einer hochgezogenen Augenbraue quittiert wird, füge ich noch hinzu: Spotify und so, weißt du? Wissen sie dann, weil die meisten die Plattform nutzen und aber auch von der Kritik am Unternehmen gehört haben. "Die zahlen so schlecht, ne?", ist eine häufig gestellte Frage. Ja, sage ich dann. Schon. Aber die Sache ist sehr komplex.
Seit Erscheinen der Doku-Serie ' Dirty Little Secrets' werden mir solche Gespräche leichter fallen. Denn obwohl der penetrant flippig-kumpelige Tonfall dieser Produktion des Bayerischen Rundfunks nervt: Allein die zwei der drei Folgen, die sich Spotifys Lizenzabkommen mit den Major-Labels und dem bereits seit dem Jahr 2017 immer wieder diskutierten Phänomen der sogenannten Fake Artists widmen, sind sehr gut geworden.
Dahinter steckt eine gründliche Recherche, die für ein Publikum ohne größeres Vorwissen verständlich aufgearbeitet wird und dennoch sehr nuanciert ist. Die ihrem Gegenstand gerecht wird und überdies mit der dritten Folge, die dem Quasi-Monopol von CTS Eventim über den deutschen Konzertmarkt gewidmet ist, ein noch breiteres Bild zeichnet. Es ist das einer Musikindustrie, die von großen Unternehmen für große Unternehmen aufgebaut oder aber aufgekauft wurde und nur zu deren Vorteil funktioniert - während kleinere und auf eigene Faust aktive Künstler:innen in die Röhre gucken müssen.
Mittels dieser Serie können die nun ihren Fans viel besser vermitteln, was sie am System stört und weshalb genau sie spätestens zur #Wrapped-Saison schäumende Tweets über das schwedische Unternehmen verfassen. Und vielleicht können einige sogar selbst etwas Neues lernen. Es ist schon lange her, dass mich eine Produktion der Öffentlich-Rechtlichen dermaßen wohlwollend gestimmt hat.
Als ich sie über meine Social-Media-Kanäle empfahl, regte sich dennoch Widerspruch. "Diese Idee, dass jeder von Spotify leben können müsste, ist wirklich schlimm auszuhalten gewesen", schrieb mir ein Bekannter mit jahrzehntelanger Erfahrung im Musikgeschäft. Der Kommentar bezog sich auf eine Szene in der Dokumentation, in welcher ein halbes Dutzend Musiker:innen an einem runden Tisch im Berliner Club Gretchen sitzt. Die Künstlerin Balbina stellt ihnen dieselbe Frage: "Kannst du von Streams leben?" Die Antwort ist immer dieselbe: "Nein."