Weit über 20 Alben hat Jóhann Jóhannsson in seiner Karriere veröffentlicht. Wer weiß schon, wie viele Tondokumente noch in der Schublade liegen, die postum noch veröffentlicht werden könnten. Regelmäßig lassen Kristoffer Cornils und Thaddeus Herrmann das Werk des Komponisten Revue passieren - chronologisch, Album für Album. In der 14. Folge geht es um „The Theory of Everything" aus dem Jahr 2014, den Soundtrack zum Stephen-Hawking-Biopic von James Marsh.
Ein junger Physiker verliebt sich in eine Literaturstudentin und stellt nebenbei noch eine der bahnbrechendsten Theorien der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf. Doch der Körper, in dem dieser Geist arbeitet, arbeitet gegen ihn. Er überlebt länger als ihm vorausgesagt wurde, doch die Ehe zerbricht und sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend. Die Geschichte von „The Theory of Everything" wurde vom Leben geschrieben und nachdem Jane Hawking sie im Jahr 2007 in ihren Memoiren zusammengefasst hatte, nahm Regisseur James Marsh das als Grundlage für einen Film, den Jóhann Jóhannsson vertonen sollte. Er heimste eine der fünf OSCAR-Nominierungen dafür ein, obwohl - oder vielleicht gerade weil - er sich damit musikalisch in ganz anderen Gefilden als noch mit vorigen Soundtrack-Arbeiten bewegte.Kristoffer: Der schlimmste Ort Berlins ist das Soho House. Dort fallen soziales und finanzielles Kapital in eins, ziehen Menschen mit Hang zum Kokain ihren Juice Cleanse solange durch, bis die Bar aufmacht. Ich war ein paar Mal dort, habe mir den Plattenladen im Erdgeschoss angeschaut (vergesst es), Interviews geführt (mit wem, sage ich nicht) und sogar ein ungewolltes Vorstellungsgespräch gehabt (mit derselben Person sogar). Am 11. November 2014 bin ich etwas lieber als sonst dort hingegangen, denn ich war zu einem Screening von „The Theory of Everything" eingeladen. Ich ging allein in den Keller, entlang an schwarzen Wänden - der absonderliche Versuch, dem ganzen Unfug einen gleichzeitig industriell-edgy und bourgeois-eleganten Anstrich zu verleihen, literally - und machte kurz auf der Toilette Halt, wo kosmischer Big Ambient à la Emeralds lief.
Dann ins Kino, einem postmodernen Anachronismus aus satten Samtsesseln und viel Gold. Der Film passte dazu. Überproduziert und -budgetiert, cinematografisch wie durch einen Instagram-Filter (wie gesagt: 2014!) gezogen und basierend auf dem Standardnarrativ von Hollywood-Kitsch: viel Liebesduselei, weil ja niemandem einfach so zuzumuten ist, sich für die Geschichte eines radikalen Denkers zu interessieren, wenn nicht eine Frau als Motivation dafür dient. Bäh. Voll war das Kino nicht, Jóhann Jóhannsson aber war zugegen. Nach der Vorstellung unterhielt er sich auf Isländisch mit ein paar Menschen und ich bin nicht dazwischen gebrettert, um ihm ein „Hi, you shook my hand last year, remember me?" reinzupfeifen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn aus der Nähe gesehen habe. Was ich ihm allerdings hätte sagen können: „Sorry about that film but the score is fantastic."
In den vergangenen zwei Jahren ist es zwischen uns beiden irgendwie zum irrlichternden Meme geworden, dass wir aus irgendwelchen Gründen annahmen, der jeweils andere hätte eine komplett andere Meinung zu dieser Musik. Doch das stimmt nicht: Wir lieben sie beide. Nur allerdings aus verschiedenen Gründen, wie wir letztens beim Dinner feststellten. Was sind deine?