Der Name Merzbow ist unweigerlich mit Superlativen verbunden. Über 550 Veröffentlichungen unter diesem Namen listet allein Discogs, auf Rate Your Music taucht er in Verbindung mit über 1.100 Releases auf. Dazu gehört unter anderem die "Merzbox", eine im Jahr 2000 veröffentlichte und mittlerweile legendär gewordene Zusammenstellung von 50 CDs, die seit dem Erscheinen der "10×6=60CDBox" im Jahr 2021 allerdings nicht mehr die umfassendste Veröffentlichung in seiner Diskografie darstellt.
Und beide stellen in physischer Hinsicht sogar vergleichsweise kleine Releases in der Diskografie von Merzbow dar, zumindest wenn der Gerüchteküche Glauben zu schenken ist. Als das Label The Releasing Eskimo im Jahr 1994 das Album "Noisembryo" veröffentlichte, stellte Betreiber angeblich den CD-Player eines Gebrauchtwagens so ein, dass dieser nach dem Start automatisch das Album ohne Unterbrechung spielte und bot das "Merzcar" auch als limitierte Sonderedition feil - verkaufen konnte er es nach eigenen Angaben jedoch nicht.
"Noisembryo" gehört zu einer Reihe von Alben aus den 1990er-Jahren, die weitaus lauter gemastert wurden, als es zu dieser Zeit dem Standard entsprach oder schlicht legal war. Jahrelang gab es nichts Lauteres zu hören als auf einer Merzbow-CD. Und da wäre natürlich noch das, was darauf zu hören war: explosives Fauchen, dräuende Bassfrequenzen, pulsierender Krach an den Grenzen des Erträglichen - Harsh Noise, in der Regel ohne Unterbrechungen und mit mehr als einer halben Stunde Spielzeit. Und wenn Merzbow sich heutzutage ein Stelldichein im Boiler Room gibt, dann mit einer Kreissäge in der Hand.
Diese Zahlen und Fakten tragen zu einem Mythos bei, der das Projekt von Masami Akita weltweit bekannt gemacht hat. Aus seiner breiten Diskografie sind jedoch nur wenige Alben bekannt. Viele Gelegenheitshörer:innen kennen kaum mehr als die beiden Solo-Alben auf Relapse, "Venereology" (1994) und das mit einem ikonischen Artwork daher kommende "Pulse Demon" (1998), sowie neben "Noisembryo" vielleicht noch "1930" (1998, Tzadik). "Es gibt so viele Merzbow-Veröffentlichungen, dass viele Menschen nur wenige von ihnen kennen", bestätigt Akita im E-Mail-Interview. "Dass vor allem bekanntere Alben wie ›1930‹ und ›Pulse Demon‹ gewertschätzt werden, ist in Ordnung."
Und doch lässt sich sagen, dass damit breiten Teilen der Hörerschaft nur ein sehr bestimmter Abschnitt aus dem Werk eines Künstlers bekannt ist, dessen Arbeit in und mit Sound und Lärm in über vier Jahrzehnten sehr verschiedene Formen angenommen hat.
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