Diese Beliebigkeit schlägt sich bisweilen auch in den Statistiken nieder: Im Jahr 2016 wurde eine Studie veröffentlicht, der zufolge 48 % aller Käufer:innen ihre Schallplatten gar nicht anhören würden, obwohl das Gros dieser Menschen einen Plattenspieler besitzt. "Die Platte ist zum Boutique-Objekt verkommen", sagt Robert Schulze von Bis aufs Messer. "Die Leute wollen alles haben und am besten noch in tausend verschiedenen Varianten." Tatsächlich zielt das Geschäft mit dem Vinyl bisweilen rein auf den Komplettierungsfimmel der Käuferschaft ab und reizt den Sammelwahn durch künstliche Verknappung. Denn selbst von einem Billie-Eilish-Release existieren mittlerweile verschiedenstene, mitunter angeblich streng limitierte Farbvarianten, weil mit der Kaufkraft sogenannter Superfans spekuliert wird: Menschen, die ein Album in jeder existenten Variante besitzen wollen.
Das Prinzip ist nicht neu, im Mainstream-Bereich wurde es im zweitgrößten Musikmarkt der Welt, in Japan, etabliert und findet dort vor allem im CD-Segment Anwendung. Das Album einer sechsköpfigen Boy-Band erscheint dort beispielsweise nicht in einer einzigen Fassung, sondern in verschiedenen Versionen, die etwa jeweils eines der Mitglieder auf dem Cover zeigt. Nur wer alle sechs kauft, hat die gesamte Gruppe zusammen. Dazu gesellen sich exklusive Gimmicks wie unter anderem nach Zufallsprinzip einigen CDs beigegebene Tickets für Meet & Greets mit den Stars oder ähnliche Anreize für Superfans, möglichst viele Exemplare ein und desselben Albums zu kaufen. Anwendung findet dieses Prinzip ebenfalls im K-Pop-Bereich und also in Südkorea, wo die CD-Verkäufe anders als anderswo in dieser Welt seit einigen Jahren steigen. Im Westen allerdings wird auf Vinyl gesetzt.
In den USA, wo im Jahr 2020 erstmals seit dem Jahr 1986 wieder mehr Schallplatten als CDs verkauft wurden, führen selbst große Supermarktketten wie Target, Wal-Mart oder Best Buy Vinyl, das exklusiv und nur dort erhältlich ist - in bestimmten Farbvarianten und mit exklusiven Gimmicks einhergehend, versteht sich. Auf kleinerer Skala haben vor allem international agierende Online-Shops wie Boomkat, Bleep oder im deutschen Raum HHV sukzessive ein ähnliches Konzept etabliert. So locken dann nicht nur die Labels allein, sondern auch gut organisierte Verkaufsstellen Fans mit dem Versprechen von Exklusivität und Seltenheit - ob die Platten nun allerdings zum Anhören, zum Anschauen oder doch als Wertanlage gedacht sind, scheint dabei nicht immer von Belang.