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Fußball in Mexiko: "Ein Paradies für Geldwäsche" - SPIEGEL ONLINE - Sport

Am Freitag hat sich die mexikanische Nationalmannschaft für die WM in Russland qualifiziert. Beim 1:0-Sieg gegen Panama fehlte jedoch ein entscheidender Spieler: Rafael Márquez, Kapitän des Teams und Idol der mexikanischen Fans, spielt im Moment keinen Fußball. Der 38-Jährige versucht stattdessen, sich von den Vorwürfen zu befreien, er habe Geld für einen Drogenboss gewaschen.

Der Ex-Verteidiger von AS Monaco (1999 bis 2003), vom FC Barcelona (2003 bis 2010) und von Hellas Verona (2014 bis 2016) ist einer der wenigen mexikanischen Profis, die im Ausland langfristig erfolgreich waren. Dementsprechend himmelt das fußballverrückte Land den Spieler an, der im Spätherbst seiner Karriere wieder bei seinem Jugendverein Atlas de Guadalajara spielt. In Mexiko wird Márquez in Anlehnung an Franz Beckenbauer ehrfürchtig "Kaiser" genannt.

Seit dem 10. August aber gibt es nicht mehr nur das Bild des Kaisers, sondern auch das eines Kriminellen. Nach Ansicht amerikanischer Fahnder hat Márquez für den im Juli festgenommenen Rauschgifthändler Raúl Flores Hernández in großem Stil Geld gewaschen. Das Finanzministerium in Washington fror Márquez' Konten in den Vereinigten Staaten ein und annullierte sein Visum.

Der Vorwurf: In insgesamt neun Firmen und Stiftungen von Márquez soll schmutziges Geld von Flores stecken. Darunter sind Fußballschulen, Firmen für alternative Nahrungsmittel sowie Reha-Zentren. Der Fall Márquez wirft den Fokus auf ein Thema, über das in Mexiko kaum jemand reden will: Steckt schmutziges Geld auch im Fußball?

Geschäfte im Fußball nur unter minimaler Aufsicht

Edgardo Buscaglia hat keinen Zweifel: "Der Fußball in Mexiko ist ein Paradies für Geldwäsche", sagt der Professor der New Yorker Columbia-Universität und Experte für Korruptionsbekämpfung. Die Klubs, die oft großen Unternehmen oder Milliardären gehören, werden staatlich kaum stärker reguliert als kleine Dorfvereine. "Anders als bei Banken, Wechselstuben, Wettbüros, Immobilienmaklern und Spielcasinos finden die Geschäfte im Fußball praktisch ohne Finanzaufsicht statt," sagt Buscaglia dem SPIEGEL.

Dabei sei der Kauf und Verkauf von Spielern nur eine Art, Geld zu bewegen. Die Klubs haben geschäftliche Beziehungen in den Bau- und Textilsektor und in den Dienstleistungsbereich. All das sind schönste Spielplätze für Geldwäsche. "Wenn man bedenkt, dass Mexiko nach China und Russland weltweit die drittgrößte Ökonomie mit schmutzigem Geld ist, kann man leicht ahnen, wie es in den Finanzen des Fußballs aussieht", sagt Buscaglia.

"Das perfekte Instrument zur Geldwäsche"

Es ist in Mexiko ein offenes Geheimnis, dass die Organisierte Kriminalität längst alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen hat. Vor allem in den Hochburgen der Mafia-Organisationen wie dem Bundesstaat Sinaloa, woher das gleichnamige Kartell stammt, seien 60 bis 70 Prozent der Wirtschaft, der Politik, der Kirche, des Schulsystems und auch des Sports unterwandert, sagte Ismael Bojórquez, Chefredakteur des Wochenblatts "Ríodoce" aus Culiacán jüngst dem SPIEGEL. Nach Schätzungen des mexikanischen Finanzministeriums und der Bankenaufsicht CNBV wurden allein im vergangenen Jahr 50 Milliarden Dollar im Land gewaschen. Man muss davon ausgehen, dass ein Teil davon in den Fußball-Kreislauf injiziert wurde.

Die Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), ein Gremium von G7 und OECD zum Kampf gegen Geldwäsche, hat schon 2009 darauf hingewiesen, dass der Fußball besonders anfällig für kriminelle Aktivitäten sei. "Fußballvereine sind in den Augen Krimineller das perfekte Instrument zur Geldwäsche", heißt es in dem 42 Seiten starken Bericht. Nach Recherchen des mexikanischen Sportportals "Cámara Húngara" auf Basis der FATF-Untersuchung liegen 54 Prozent der mexikanischen Erst-, Zweit- und Drittligaklubs in Gegenden, die unter dem Einfluss der Organisierten Kriminalität stehen.

Die mexikanische Klubstruktur leistet dubiosen Geschäften dabei Vorschub. Sie gleicht eher dem US-Sport als dem europäischen Modell. Ein Großteil der 18 mexikanischen Erstligateams sind keine Vereine, sondern Aktiva von Großunternehmen oder Spielzeuge von Superreichen. Ähnlich wie im US-Sport werden mexikanische Klubs gerne von einer Stadt in eine andere verlegt, wenn dort mehr Geld zu verdienen ist. In Mexikos zweiter und dritter Liga wechseln pro Jahr durchschnittlich zehn Teams ihren Sitz.

Club Tijuana und der Fifa-Ethikcode

Auch in der ersten Liga gibt es Vereine, bei denen der Verband lieber nicht so genau hinschaut. Ein Beispiel ist der Club Tijuana Xoloitzcuintles de Caliente, kurz "Club Tijuana". Der Verein aus der gleichnamigen Grenzstadt zu den USA wurde 2007 gegründet, stieg 2011 in die erste Liga auf und wurde 2012 Meister. Präsident ist Jorgealberto Hank, ältester Sohn von Jorge Hank Rhon, einem zwielichtigen und sehr reichen Unternehmer, der sein Geld mit den Spielcasinos "Caliente" macht und dem immer wieder Verbindungen in die Unterwelt nachgesagt werden. Die Tatsache, dass der Klub aus den Spielcasinos finanziert und sogar ihren Namen im Titel trägt, verstößt gegen den Fifa-Ethikcode, der in Artikel 25 Verbindungen zu Wettanbietern, Spielcasinos und Lotterien untersagt.

Guillermo Cantú, Generalsekretär des Fußballverbands Femexfut, legt jedoch für den Verein aus Tijuana seine Hand ins Feuer. "Der Eigentümer hat den Klub unter Anstrengungen hochgebracht. Und Geld von Spielcasinos steckt bestimmt auch in vielen anderen Vereinen auf der Welt." Der Verband prüfe immer genau, wer die Eigentümer der Klubs sind: "Wir haben da hohe Hürden."

Unwahrscheinlich, dass Márquez von nichts wusste

Bei der Nähe zwischen Fußball und Organisiertem Verbrechen überrascht es nicht, dass in der Vergangenheit auch immer Spieler in die Nähe von Kartell-Größen gerückt wurden. Aber der Fall von Rafael Márquez ist eine andere Kategorie. Kein Fußballer hatte ein solches Image als Superstar und Saubermann. Bei keinem Spieler waren die Vorwürfe so konkret und detailliert.

Theoretisch könnte es auch sein, dass Márquez von den schmutzigen Geschäften, die ihm vorgeworfen werden, nichts gewusst hat, sagt Buscaglia. "Oft sind die Spieler nur sichtbare Köpfe eines Geflechts von Unternehmen und Stiftungen. Da reicht es schon, dass ein Anwalt, Berater oder Finanzbuchhalter dem Organisierten Verbrechen die Tür öffnet, ohne dass es der Spieler weiß."

Im Fall von Márquez ist das aber wenig wahrscheinlich. Nach Ermittlungen der US-Fahnder kennt er den Drogencapo Flores seit 23 Jahren. Seither habe der Fußballer mit dem Kriminellen und auch dessen Sohn gemeinsame Geschäfte gemacht - unter anderem 2008 bei zwei Vereinen der zweiten Liga.

Guillermo Cantú von der Femexfut sagt: "Wir wünschen Rafa, dass er gut aus dieser heiklen Situation herauskommt. Er hat so viel für den mexikanischen Fußball getan." Ein reinigendes Gewitter klingt anders.

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