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Der Mann, der nicht lacht

FOCUS 1-13

Wird ein Neuling der Finanzpolitik Chef der Euro-Gruppe?

Der Niederländer Jeroen Dijsselbloem könnte Jean-Claude Juncker beerben

Als Schüler demonstrierte er gegen die Stationierung von Atomraketen. Als Abgeordneter wetterte er gegen die „verlotterte Sexualmoral“ seiner Landsleute. Seit Anfang November ist er, gerade mal 46 Jahre alt, Finanzminister der neuen niederländischen Regierung. Und nun, nur ein paar Wochen später, gilt er als Favorit für den Posten des „Mister Euro“: Jeroen Dijsselbloem (sprich: Jeruhn Deisselbluhm), Spross einer katholischen Lehrerfamilie, Agrarökonom und überzeugter Sozialdemokrat. Monate schon dauert der Positionskampf in Brüssel. Wird der jungenhafte Niederländer tatsächlich Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker und Chef der Euro-Gruppe? Ein Neuling in Sachen Europa und Finanzpolitik? Die Entscheidung fällt im Januar. Für viele Niederländer ist sie bereits klar – schon allein deshalb, weil Alternativen fehlen: „Es muss jemand aus einem Triple-A-Land sein, und davon gibt es nicht mehr so viele“, erklärt Sylvester Eijffinger, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Tilburg: „Die Finnen stellen bereits Superkommissar Olli Rehn, die Luxemburger waren gerade erst an der Reihe – und die Deutschen können nicht, weil sie eine zu dominante Position einnehmen.“ Ein Vertreter aus einem kleinen, soliden Mitgliedsland, der es versteht, zwischen den Großen zu manövrieren, sei deshalb ideal. Dijsselbloem selbst, ein Mann, der am liebsten diskret Einfluss nimmt, gibt sich gewohnt zurückhaltend. Wessen Name zuerst genannt wird, so ein Brüssler Gesetz, hat die schlechtesten Aussichten. Auf die Frage, was am Spekulieren um ihn dran sei, antwortet Dijsselbloem deshalb: „Dazu gibt es erst dann einen Grund, wenn dein Name nicht genannt wird.“ Als Abgeordneter der sozialdemokratische Partiy van de Arbeid (PvdA) befasste sich Dijsselbloem mit Bildungspolitik, Sicherheit, Jugend und Integration. Der zweifache Familienvater spricht fließend Englisch und Französisch, gilt als tüchtig, zuverlässig – und etwas langweilig. Aber, so kontert er: „Ein Finanzminister kann solche Eigenschaften gut gebrauchen!“
Den strengen Sparkurs seines christdemokratischen Vorgängers Jan Kees de Jager will er fortsetzen: „Was Budget und Haushaltsdisziplin betrifft, werde auch ich knallhart sein!“ Aber anders als de Jager geht er nicht auf Rammkurs. Ein Brüssler Diplomat im „NRC Handelsblad“: „Mit Dijsselbloem kann man auch nach einem harten Wortwechsel ganz gemütlich ein Bierchen trinken.“ „Jeroen ist ein Brückenbauer“, bestätigt sein Parteigenosse Staf Depla. Mit ihm und dem heutigen PvdA-Parteichef Diederik Samsom hat Dijsselbloem die Sozialdemokraten modernisiert. Die drei „roten Ingenieure“ (allesamt TU-Absolventen) bescherten der PvdA ein überraschendes Comeback. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble unterstützt Djisselbloem. Fraglich ist die Haltung der Franzosen. Sie kritisieren die Niederlande als Steuerparadies für Firmen und Rockstars und versuchen womöglich noch, etwa ihren Finanzminister Pierre Moscovici als Chef der EuroGruppe durchzudrücken. Bleibt es bei der Kompromisslösung Djisselbloem, könnten die Niederländer knapp zehn Jahre nach dem Abschied Wim Duisenbergs von der EZB endlich wieder eine wichtige Funktion in Europa besetzen und dem Rest der Gemeinschaft beweisen, worin ein kleines Land ganz groß sein kann. Eines allerdings sollte ihr Wunschkandidat sich abgewöhnen: immer so ernst zu schauen. „Entspann dich und lach auch mal!“, riet ihm der frühere Finanzminister Wouter Bos nach einem TV-Auftritt. Darauf Dijsselbloem: „Wenn ich über ein ernstes Thema rede, gucke ich auch ernst. So bin ich nun mal. Punkt aus.“
Kerstin Schweighöfer