Eigentlich müsste es der Stolz Jürgen Landsberg verbieten, aufzuhören. "Alles Echtholz", sagt der Unternehmer und dreht sich in dem Luxus-Wohnmobil um die eigene Achse. "Dort drüben kommt der Kamin hin." Noch hängen Kabel von der Decke, und auf dem Boden liegen Planen. Wenn der Ausbau fertig ist, wird hier ein Gefährt zum Preis eines Einfamilienhauses stehen. Groß wie ein Reisebus, mit ausfahrbaren Erkern und einer Garage im Bauch, in die ein Smart als Zweitwagen passt.
Das Wohnmobil gehört zu der Linie, die der Unternehmer selbst entwickelt hat und die seinen Namen trägt: ein echter Landsberg. Mit seiner Firma hat er unzählige solcher Fahrzeuge gebaut, verliehen und repariert. Dieses nun könnte der Letzte seiner Art sein. Denn Jürgen Landsberg will nicht mehr Unternehmer sein.
Der 65-Jährige will endlich den Ruhestand genießen. Keine Wohnmobile mehr verkaufen, sondern selbst damit losfahren. Nur: So einfach ist das nicht. Landsberg findet keinen Nachfolger, der sein Lebenswerk übernimmt. Bis Ende des Jahres will er noch suchen. Wenn es bis dahin nichts geworden ist, macht Landsberg den Laden dicht. Dann geht alles, was er in drei Jahrzehnten aufgebaut hat, den Bach runter.
Die Pläne der KinderDie Nachfolge als letzter großer, gar existenzieller Kampf am Ende der Karriere - es ist ein Schicksal, das Jürgen Landsberg mit Tausenden Unternehmerinnen und Unternehmern in Deutschland teilt. Bis Ende 2021 wollen 152.000 Mittelständler ihre Firmen übergeben, hat die Förderbank KfW ausgerechnet. Hinter der nüchternen Zahl verbergen sich enttäuschte Hoffnungen, überzogene Erwartungen, frustrierende Gespräche und nervenaufreibende Familienkonflikte. "Drei Viertel der Unternehmerinnen und Unternehmer, bei denen die Nachfolgefrage ansteht, haben mit großen Herausforderungen zu kämpfen", sagt Marc Evers, der sich beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schwerpunktmäßig mit Nachfolge befasst.
Das Thema hat an Brisanz gewonnen. Früher drehten sich Nachfolgedramen darum, dass der greise Patriarch am Sessel klebte - jetzt beginnen die Probleme oft damit, dass niemand seinen Sessel haben will.
Heute ist es alles andere als selbstverständlich, dass der Sohn oder die Tochter die Firma übernimmt. Mancher Erbe hat eigene Pläne und gründet zum Beispiel lieber ein Start-up in Berlin, als die Betonfabrik im Sauerland weiterzuführen. "Auch in Unternehmerfamilien ist es immer mehr akzeptiert, dass Kinder ihre eigenen Wege gehen", weiß Nadine Kammerlander von der Wirtschaftsuniversität WHU nahe Koblenz zu berichten. Zudem habe nicht jedes Unternehmerkind das Zeug dazu, eine Firma zu führen. In Zeiten des technologischen Wandels und einer rasanten Globalisierung sei das ohnehin eine komplexere Aufgabe als noch vor 30 oder 40 Jahren, sagt die Professorin.
Eine Frage des AltersSo kommt es, dass die familieninterne Nachfolge an Bedeutung verliert. Nur noch 44 Prozent der Altinhaber wünschen sich laut KfW, dass ihre Kinder die Firma übernehmen. Ein prominentes Beispiel ist der Süßwarenhersteller Bahlsen aus Hannover, dessen langjähriger Chef Werner M. Bahlsen kürzlich im Handelsblatt erklärte, keines seiner vier Kinder werde in seine Fußstapfen treten, das habe man gemeinsam beschlossen.
Bahlsen wird sicher einen geeigneten Topmanager an Bord holen, doch insgesamt sorgt vor allem die Alterung der Gesellschaft dafür, dass Unternehmer auch außerhalb ihrer Familien immer weniger Nachfolger finden. Kandidaten dafür sind meist zwischen 25 und 45 Jahre alt. Diese Alterskohorte schrumpft, auch bei Führungskräften im Management, während die Zahl der Ausstiegswilligen in den Familienfirmen steigt. Bereits jetzt sind über 1,5 Millionen Firmeninhaber über 55 Jahre alt.
Das Problem spitzt sich also zu, was auch die Nachfolgeberater der Industrie- und Handelskammern beobachten: Im Jahr 2018 informierten sich knapp 7000 Altinhaber zum Thema Nachfolge - so viele wie nie zuvor. Und knapp die Hälfte hatte zum Zeitpunkt der Beratung noch keinen Nachfolger gefunden, auch das ist ein Rekord.