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Mindestalter für Landtagsabgeordnete: Ist sie zu unreif für den Landtag?

"Kurios": Neele Schauer war schon Bundestagskandidatin. Aber die Landtagswahl hat andere Gesetze. Bild © privat

Verfassungsreform Ist sie zu unreif für den Landtag?


Neele Schauer ist 19. Sie darf Auto fahren, ohne Zustimmung der Eltern heiraten - aber nicht bei der Landtagswahl antreten. Diese Altersbeschränkung hat Hessen exklusiv, aber vielleicht nicht mehr lange.


Sie krempelt die Ärmel ihrer Bluse hoch und zupft an ihrem weißen, kurzen Rock. Dann geht Neele Schauer entschlossenen Schritts hinüber zum Sommerfest des CDU-Stadtverbands Offenbach. Nicht nur wegen der Pumps mit den hohen Absätzen fällt sie hier auf.

Schauer ist von Parteifreunden umgeben, die fast alle ihre Eltern sein könnten. Oder Großeltern. Mit 18 hat sie vergangenen Herbst für die Bundestagswahl kandidiert. Nun, ein Jahr später, kam eine Kandidatur für den Landtag nicht in Frage. Dafür ist die Jura-Studentin einfach noch zu unreif.


Es war schon schlimmer

Laut Gesetz jedenfalls. Wer sich um ein Landtagsmandat bewirbt, muss mindestens 21 sein. "Man kann mit 18 Jahren wählen, man kann für den Bundestag kandidieren. Wieso dann nicht auch für den Landtag? Das ist einfach kurios", sagt Schauer. Ein politischer Neuling ist sie wirklich nicht. Mit 14 trat sie in die Junge Union ein, mit 16 in die CDU, jetzt ist ihr Sitz im Landesvorstand der Frauen-Union eines von mehreren Ämtern.


Tatsächlich ist Hessen das einzige Bundesland, in dem die Volljährigkeit nicht ausreicht, um in den Landtag gewählt zu werden. Mit der Verfassungsreform, über die am 28. Oktober gleichzeitig mit der Landtagswahl abgestimmt wird, soll sich das ändern. Wer wählen darf, soll auch gewählt werden dürfen - aktives und passives Wahlrecht ab 18 also.


Für junge Menschen wie Schauer ist es kein Trost, dass es schon schlimmer war. Bis 1950 musste man mindestens 25 sein, um in den Landtag einzuziehen. Erst dann wurde das passive Wahlalter auf 21 Jahre heruntergesetzt.


Vier von fünf sind Ü-40er

Politik ist eigentlich etwas für die zweite Lebenshälfte. Diesen Eindruck vermitteln nicht nur Parteifeste, sondern auch der hessische Landtag: Vier von fünf Abgeordneten sind älter als 40, fast die Hälfte von ihnen ist über 60. Mit 31 Jahren war Grünen-Politikerin Kaya Kinkel in der zu Ende gehenden Legislaturperiode die mit Abstand jüngste Abgeordnete in Hessen.

Für sie ist die Senkung der Altersgrenze ein überfälliger Schritt für mehr Demokratie und Generationengerechtigkeit. Aber nicht der einzige. "Damit im Landtag auch tatsächlich junge Menschen vertreten sind, müssen die Parteien sie auch auf die Liste der Kandidaten setzen", sagt Kinkel.


Schon einmal durchgefallen

Auch Kaweh Mansoori, dem Vize-Vorsitzenden der Jusos in Hessen, reicht die in der Verfassungsreform vorgesehene Altersänderung nicht aus. Die sei zwar konsequent und richtig, aber eher theoretisch von Bedeutung. "Wichtiger wäre eine Abstimmung über das Wahlrecht ab 16 gewesen, damit junge Menschen mehr Einfluss bekommen", sagt der 30-Jährige.


In der Enquete-Kommission, die den 15-Punkte-Vorschlag zur Verfassungsreform in zweijähriger Arbeit erstellt hat, war das Wahlrecht für Jugendliche kontrovers diskutiert und am Ende nicht mehrheitsfähig gewesen. Die von der Kommission befürwortete Senkung des Mindestalters von Landtagsabgeordneten ist bei den hessischen Wählern allerdings schon einmal durchgefallen. 1995 stieß die Änderung des entsprechenden Artikels 75 der Landesverfassung bei einer Volksabstimmung sogar auf deutliche Ablehnung. Könnte das fast ein Vierteljahrhundert später bei der Abstimmung über die Verfassungsreform schon wieder passieren?


Für wen ist das wichtig?

Kommissionschef Jürgen Banzer (CDU), 63 Jahre alt, hält das nicht für wünschenswert - aber offenbar für möglich. Über die insgesamt 15 Reformvorschläge können die Wähler nämlich nicht nur im Paket abstimmen, sondern auch einzeln. Und über das passive Wahlrecht ab 18 sagt der frühere Justizminister: "Ich könnte mir vorstellen, dass das der Punkt ist, wo man sehr unterschiedlicher Meinung sein kann."


Vor allen Dingen spiele diese Frage für die Menschen über 21 "eigentlich keine Rolle", gibt Banzer zu bedenken. Nachwuchspolitikerin Schauer könnte ein Scheitern nicht nachvollziehen. Ihr geht es da nicht nur um Generationengerechtigkeit. "Gerade junge Frauen sind in der Politik deutlich unterrepräsentiert. Politik muss sie ansprechen, und dafür sind auch Vorbilder im Landtag wichtig."

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