Erinnerungskultur als "Entlastung der Deutschen von ihrer historischen Schuld"
Der Antisemitismusforscher Max Czollek stellt im Café Klatsch in Wiesbaden sein Buch „Desintegriert euch!" vor, das Juden empfiehlt, sich vom bundesdeutschen „Gedächtnistheater" nicht vereinnahmen zu lassen.
Von Katharina Schuster
Vielfalt statt Integration – das sei der Weg hin zu einer gelingenden Gesellschaft. Davon ist Antisemitismusforscher Max Czollek überzeugt. Im Café Klatsch las er aus seiner Streitschrift „Desintegriert euch!“, einem Schlachtruf der neuen jüdischen Szene und zugleich eine Attacke gegen die Vision einer alleinselig machenden Leitkultur.
Welcher Tage des Holocausts gedenken wir in Deutschland? Im Fokus stehen die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar und die Reichspogromnacht am 09. November. „Beides Tage, an denen Jüdinnen und Juden nur passiv am Geschehen beteiligt waren“, stellt Czollek fest und schaut in die Runde. Das Café im Rheingauviertel ist voll. Zwischen den Tischen haben sich einige Gäste einen Platz auf dem Boden gesucht. Um der Lesung, organisiert von der Jugendinitiative Spiegelbild, moderiert von Bildungsreferent Thure Alting, trotzdem folgen zu können.
Max Czollek sucht in seiner Lyrik nach einer Erinnerungskultur, die Juden und Jüdinnen nicht nur als Opfer und Überlebende porträtiert. Um dies zu erreichen, müssten wir miteinander reden und vor allem streiten.