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Boris Johnson: Der Stil des neuen Premierministers

Knitter-Anzüge und fluffiges Haar - Das ist der Bojo-Look

Seine Haare haben einen eigenen Twitter-Account, seine zerknitterten Anzüge sind legendär. Steckt eine Strategie hinter dem eigenwilligen Look von Boris Johnson? Eine Stil-Analyse.

Sie bezweifle, dass an den Schuhen von Boris Johnson auch so großes Interesse herrsche, erwiderte Theresa May einmal auf die ständige Frage nach ihrer Vorliebe für auffällige High Heels. Offenbar verstanden die Medien den dezenten Hinweis darauf, dass das Äußere von Politikerinnen oft genauer untersucht wird als das ihrer Kollegen: Je höher Mays Nachfolger auf der politischen Karriereleiter klettert, desto intensiver wird sein Erscheinungsbild analysiert. Schon als Bürgermeister von London brachten ihm seine unförmigen Anzüge und die wirre Haarpracht den Beinamen „Clown" ein. Bis heute nennen die Medien ihn gern „Bojo". Das klingt nach hohem Unterhaltungswert.

Und genau das tut Johnson. Er stammt aus der britischen Oberschicht, besuchte das Elite-Internat Eton, studierte in Oxford, arbeitete lange als Journalist. Understatement gilt in seinen Kreisen als schick, lieber ist man schlecht angezogen als zu protzig. Johnsons Uneitelkeit wirkt nahbar, kommt auch bei der Masse an. Als Außenminister (2016 bis 2018) zügelte er seine Haare zum ersten Mal, wichtige Elemente seines Looks - schief sitzender Fahrradhelm, zerknittertes Jackett unterm Rucksack - fielen Sicherheitsbedenken zum Opfer: Den Weg ins Büro durfte er nicht mehr mit dem Rad zurücklegen. Vielleicht bescherte er dem Publikum deshalb einen Fauxpas nach dem anderen. Ein guter Clown liefert auch ohne Kostüm. Nun hat Johnson das wichtigste Amt auf der Insel übernommen und steht deshalb nicht nur in der britischen Presse unter besonderer Beobachtung. Eine Nahaufnahme in sieben Bildern.


 Der May-Effekt

Einen Effekt, wie ihn Theresa May auslöste - 2016 stieg der Verkauf von Schuhen mit Animal-Print allein bei Debenhams um 60 Prozent -, wird Johnson vermutlich nicht bewirken. Braucht er auch nicht, das übernimmt schon seine Lebensgefährtin Carrie Symonds. Das Kleid des britischen Labels Ghost für 120 Pfund, das sie bei seiner ersten Rede als Premier trug, war kurz danach ausverkauft. Der in Scheidung lebende Johnson (zwei Ehen, fünf Kinder, viele Affären) ist der erste Premierminister mit einem „First Girlfriend" an seiner Seite. Sein Erfolg bei Frauen macht viele Beobachter ratlos.


  Sein Toyota

Fahrradfahren ist Johnson immer seltener vergönnt, aber da ist ja auch noch sein Auto. Eine Art letzte Bastion, die seine neue Freundin noch nicht generalüberholt hat, wie die britische Yellow Press meint. Tatsächlich mutete das Innere von Johnsons in den 90ern hergestelltem Toyota Previa GX auf Fotos vom Juni eher wie ein unaufgeräumtes Teenager-Zimmer als wie das Gefährt eines zukünftigen Premierministers an. Auf den Sitzen lagen leere Kaffeebecher, Klamotten und Kinderbücher durcheinander. Unterstützer erkennen sich in diesem Chaos wieder, politische Gegner mutmaßen, das selbiges wohl auch in Johnsons Kopf herrsche.


  Natürlich blond

Sein blondes Haar ist so charakteristisch, dass ihm ein Twitter-Account (@Boris _Hair) gewidmet wurde. 2016 gestand Johnsonder „Sunday Times", dass er sein Haar bleiche. Drei Jahre später behauptete er, damals nur gescherzt zu haben. Graue Haare habe Johnson jedenfalls nicht, sagte der Friseur Nick Mazer nun der „Daily Sun". Mazer arbeitet im Salon Funky Barber im Westen Londons und verpasste Johnson im vergangenen Jahr eine neue Frisur - für knapp 16 Euro. Mazer berichtet außerdem, dass Johnsons Haar sehr fein und glatt sei und er offenbar nie Stylingprodukte verwende. Das erklärt auch den fluffigen Look.


  Bojo-Chic

Selten wurde so viel über die Kleidung einer Person geschrieben und so wenig über Marken. Ob Herrenausstatter aktiv verhindern, dass ihr Name im Zusammenhang mit Johnson fällt, ist aber nicht belegt. Johnson lobte die britische Schneiderkunst. Als er aber 2011 als Bürgermeister die London Fashion Week eröffnete, klang seine Antwort auf die Frage, was er trage, ziemlich ratlos: „Ich weiß nicht... einen Anzug?" Vier Jahre später hakte der „Telegraph" nach. Diesmal war Johnson vorbereitet: Seine Schuhe seien von der britischen Marke Church's, die Krawatte von Next, das Hemd von Marks & Spencer.


  Altertümliche Socken

Im Juni sorgte ein Detail in Johnsons Look für Aufmerksamkeit: Er wurde bei mehreren Auftritten nacheinander mit dem gleichen Paar Socken gesichtet. Das erkannten aufmerksame Beobachter am prägnanten Aufdruck. Der zeigt ein Bild des neoassyrischen Königs Ashurbanipal, vermutlich erstanden im Shop des ehrwürdigen British Museum für umgerechnet knapp sechs Euro. Als Absolvent der klassischen Altertumswissenschaft in Oxford hat Johnson ein Faible für historische Figuren. Spekulationen, er würde seine Socken ungewaschen mehrfach tragen, wehrte Johnsons Team ab: Er besitze mehrere Exemplare des Paares. Das würde erklären, warum die Socken im Museumsshop ausverkauft sind.


  Auf ein Glas

Über fünf Kilo nahm Johnson Ende 2018 in nur zwei Wochen ab. Das wurde zunächst dem Einfluss seiner neuen Freundin zugeschrieben, dann klärte Johnson selbst im „Spectator"auf: Er habe auf nächtliche Chorizo- und Käse-Gelage verzichtet und seiner Bewunderung für Winston Churchills Trinkfestigkeit zum Trotz sechs Wochen lang dem Alkohol entsagt. Bei einem Interview mit dem Magazin „Politico" in einem Londoner Pub Anfang Juli trank er aber ein Bier - und enthüllte, dass er Wein bevorzuge. Sein Favorit: Tignanello. Er habe eine Flasche geschenkt bekommen und den Preis nicht gekannt, als er den Inhalt „runtergurgelte". Auch Meghan Markle soll den toskanischen Spitzenwein schätzen.


  Die Boris-Bikes

Als sein Fahrrad der Marke Marin 2014 den Kontakt mit einem Schlagloch nicht überlebte, trauerte Johnson im „Telegraph" um sein „old bikey": „Ich fühlte mich wie ein Verwandter, der den Verlust eines geliebten Menschen zu begreifen beginnt." Die Zeiten, in denen man den Helmskeptiker Johnson fast täglich durch London radeln sah, sind schon länger vorbei. Trösten dürfte ihn, dass auf Londons Straßen über 10.000 Zweiräder unterwegs sind, die der Volksmund nach ihm benannt hat: die „Boris Bikes". Das 2010 gestartete Verleihsystem zählt zu seinen Erfolgen als Bürgermeister.

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