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Mode aus Hamburg: Was wollt ihr mit diesem Seemannsgarn?

Wirklich weg war er nie. FDP-Frau Katja Suding beispielsweise machte 2011 in ihm Wahlkampf und Barbara Schöneberger trug ihn im vergangenen Jahr bei einer Moderation auf dem Spielbudenplatz. So oft wie in diesem Winter sah man ihn aber nie. Überall junge Frauen mit zersaustem Dutt und Männer mit Bart, die die wasserdichte Jacke mit der großen Kapuze und der Druckknopfleiste trugen. Keine Frage: der Friesennerz ist wieder da. Und zwar so bunt und stylisch wie nie.


Erfunden wurde die gelb-blaue Ikone der Funktionsjacken in Dänemark, seit 1985 produziert ihn das Unternehmen Jeantex nördlich von Hamburg, in Rellingen. Von hier aus erlebt das Ölzeug nun sein Comeback und wird zum Symbol eines Trends, der sich nicht nur auf Mode beschränkt, hier aber nun mal gerade am augenscheinlichsten ist: Regionale Produkte lösen globale Massenware ab, lokale Labels fordern etablierte Marken heraus, indem sie Heimat nicht mehr spießig, sondern schick klingen lassen.


"Lässiger Lokalpatriotismus", so nennen es Sandy Baumgarten und Thomas Köhlert. Die beiden haben 2001 das Label derbe gegründet und gehören damit zu den Pionieren des Hypes. Seinen Namen verdankt ihr Unternehmen der Hiphop-Band Fünf Sterne Deluxe ("Jaja ... deine Mudder!"). Thomas Köhlert hörte ein Interview mit den Hamburger Rappern, in dem immer wieder das Wort "derbe" fiel und empfand das als sehr passend für seine Heimat. Er schrieb es über das Wappen Hamburgs - und fertig war das Logo.


Ein Stadtwappen auf Klamotten? T-Shirts, auf die Anker oder "Moin" gedruckt ist? Als Baumgarten und Köhlert begannen, galt "derbe" noch als leicht prolliger Ausdruck, und zu viel Lokalkolorit wirkte eher kitschig als cool. Was für Touristen und Fußballfans. Mit deutschen Schriftzügen auf der Kleidung lief man noch Gefahr, von Uneingeweihten für ein Mitglied des örtlichen Kegelvereins statt für einen Szenekenner gehalten zu werden.


Kleidung, die offensiv aufs Lokale setzt und damit viele Menschen anspricht - die derbe-Macher waren ihrer Zeit voraus. Modisch gesehen entwickelte sich die Regionalisierung in Hamburg schleppend. Klar, historisch betrachtet gab es immer wieder Zeiten, in denen maritime Kleidung en voque war. Unter Kaiser Wilhelm etwa boomte der Matrosenanzug. In jüngster Vergangenheit aber fristeten junge, ortsansässige Designer ein Nischendasein. Sie zu unterstützen, das war etwas, womit man sich von der Mehrheit abhob.


Heute ist es Mainstream. Das Astra-Bier wird im Jute-Beutel mit Ahoi-Aufdruck transportiert, auf dem T-Shirt aus Biobaumwolle prangen Möwen und aus dem Friesennerz baumelt ein Armband mit filigranem Ankeranhänger. Ein Trend, der sich jenseits von Hochglanzmagazinen abspielt. Der Mode haftet stets das Handgemachte an, das Authentische.


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