mokant.at: Herr Lohlker, die Internetpräsenz von
Gruppierungen wie dem IS ist auffallend. Was wissen Sie über ihre
Strategien und Struktur?
Lohlker: Ihre Medienarbeit läuft gleichzeitig
zentralisiert und dezentralisiert ab. Es gibt offensichtlich Vorgaben
von einer zentralen Quelle und dann gibt es dezentrale Einzelagenten,
die diese Propaganda dann auf Twitter und anderen Plattformen
verbreiten. Ein bisschen könnte man es beschreiben als ein
Schwarmverhalten, beispielsweise wie bei Ameisen, die sich an Pheromonen
orientieren und praktisch an einen Punkt kommen an dem sie eine
Entscheidung treffen müssen- wo riecht es vielversprechender? So können
sie sich schnell wieder neu gruppieren weil auch jede einzelne Ameise
schnell wieder eine neue Spur legt.
mokant.at: Man kann also nicht nach verfolgen wer
solche Seiten, die zur Kommunikation nach außen und zwischen den
Mitgliedern dienen, betreibt?
Lohlker: Bei einem Video Outlet kann man das nicht genau feststellen, aber Einzelaccounts kann man durchaus hin und wieder unterdrücken.
mokant.at: Und die sind wiederum mit anderen Plattformen verknüpft?
Lohlker: Ja das ist wahnsinnig flexibel und extrem
miteinander verknüpft! Wenn man eine Seite rausschmeißt, dann weichen
sie aus und konfigurieren sich wieder neu. Manchmal wird da einfach
hochgezählt, was weiß ich „www.domain1.com, www.domain2.com,….“- heute
sind sie bei 13 oder 14! Es gibt sogar eine Hacker Gruppierung aus
Syrien, die haben schon das 250. gefeiert!
mokant.at: Was sind das für Informationen, die weitergegeben werden?
Lohlker: Also es sind jetzt keine Attentatspläne. Die
werden zwar durchaus publiziert, aber meist erst so 2 Tage nach den
Ereignissen. Andererseits ist es so, dass häufig Videos geteilt werden,
oder Erklärungen verbreitet werden- das können ganz unterschiedliche
sein. Da spielen auch noch Formate wie ältere Foren eine Rolle, die ja
inzwischen schon ein bisschen von Twitter abgelöst wurden. Diese Foren
dienen als zentraler Hafen über dem dschihadistische Informationen verteilt werden. Es gibt aber auch Fotos und kurze Twitter Meldungen, beispielsweise wie toll das Kalifat ist, die dann auch zu „klassischen Webseiten“ führen.
mokant.at: Werden diese Seiten auch genützt um mehr Leute zu radikalisieren?
Lohlker: Ja sie sind Anknüpfungspunkte für
Informationen. Wir haben jetzt schon öfters Berichte gehabt, dass
Jugendliche über die Mainstream Medien interessiert geworden sind. Im
zweiten Schritt suchen sie dann online nach weiteren Informationen.
mokant.at: Und im nächsten Schritt?
Lohlker: Sie rutschen über die Online Plattformen
weiter hinein und dann wird umgeschaltet auf private Messenger Dienste.
Auf diversen Profilen haben wir dschihadistische Protagonisten gefunden
die ihre Kik Messenger (Instant Messenger für Smartphones, Anm.) Namen angeben.
mokant.at: Wo geht das dann in die Realität über?
Lohlker: Es ist eben nicht nur die Online Ebene,
sondern sie verknüpft sich auch mit der Offline Ebene. So ist
mittlerweile auch bekannt, dass sich viele Mitglieder dieser Netzwerke
in Fitnessclubs kennen gelernt haben. Auch in Wien gibt es einige
solcher Clubs die nicht unverdächtig sind.Natürlich kann man die Offline
Ebene kappen, aber es muss schon beides zusammen spielen- online und
offline.
mokant.at: Machen die Mainstream Medien genau das was der IS will, indem sie die Ereignisse dokumentieren und Horrorbilder zeigen?
Lohlker: Wenn beispielsweise der Mohammad Mahmoud (österreichischer Islamist und verurteilter Terrorist, Anm.)
online verkündet in Österreich soll es Anschläge geben, dann springen
natürlich die Medien drauf an und meinen sie könnten was verpassen. Aber
der schreibt sehr viel wenn der Tag lang ist! Aber ja, das hilft dann
vor allem dem IS! Die Medien machen Werbung pur! Das ist journalistisch
schlicht und ergreifend fahrlässig.
mokant.at: Was wäre dann die richtige Methode um damit umzugehen?
Lohlker: Man kann Kurzmeldungen verfassen, aber man
soll nicht den Originalton spielen! Viele haben inzwischen begriffen,
dass man beispielsweise keine Köpfungsvideos spielen sollte, damit der
Reiz nicht auch noch verstärkt wird.
mokant.at: War die Dokumentation der Ereignisse in Paris auch die „ideale Werbung“?
Lohlker: Man könnte zynisch sagen, dass es eine ideale Medienstrategie der Al Kaida
war. Es ist jedenfalls sowohl für Al Kaida, als auch für den IS ein
absolutes Medienereignis gewesen und besser könnte es, in
Anführungsstrichen, für ihre Propaganda nicht laufen! Natürlich stellt
sich dann die Frage: Was soll man machen? Wo ist die Grenze? Aber wie
gesagt, man sollte diesen jungen Leuten in den Medien nicht so viel
Platz geben! Das ist zu gefährlich!
mokant.at: Es ist also fast schon sinnlos solche
Videos oder Seiten aus dem Netz zu nehmen, weil die Gruppen, wie sie
zuvor schon erwähnt haben, einfach nur ausweichen?
Lohlker: Man kann jetzt streiten wie effektiv eine
Sache ist. Aber wenn jetzt irgendwo ein Account für zwei Wochen offline
ist, dann heißt das natürlich auch, dass eventuell ein, zwei Leute zwei
Wochen nicht mit Informationen versorgt werden. Vielleicht überlegen die
sich dann auch, ob das wirklich so eine gute Idee war und können nicht
rekrutiert werden. Wenn man das ein bisschen hochrechnet ist das
natürlich positiv. Andererseits muss ich leider feststellen, dass das
bis jetzt noch nicht so nachhaltig war. Aber es wäre auf jeden Fall
schön. Ich müsste mir dann zwar einen neuen Job suchen, aber das würde
ich dann auch sehr gerne machen!
mokant.at: Um nochmal auf die Propaganda- oder
Vermarktungsvideos zurückzukommen: Sie wirken wie billig produzierte
Actionfilme, haben manchmal sogar einen Trailer auf den 50-minütige
Filme folgen. Was sind da die Absichten dahinter?
Lohlker: Man muss da vielleicht anders anfangen: Es gibt schon seit Jahren die Figur des Media-Mujahed (bezeichnet
jemanden der sich für die Verbreitung und Verteidigung des Islams im
Sinne des Dschihad bemüht, also islamische Widerstandskämpfer und auch
Terroristen, Anm.). Die wurde ganz gezielt entwickelt, überspitzt formuliert mit der Absicht „Vormittags kämpfen, nachmittags posten“.
mokant.at: Was genau wird in den Videos gezeigt?
Lohlker: Beispielsweise wie man Strom für Notebooks aus
Autobatterien zapft, nach dem Motto „wir kommen unter den schwierigsten
Umständen zurecht“. Das beruht auf der Fähigkeit solcher Gruppierung
recht ansprechende Medienprodukte zu produzieren, vielleicht nicht
gerade hochklassige, aber es funktioniert. Es werden auch Elemente aus
Kinofilmen rausgenommen und in ihre Videos reingeschnitten.
mokant.at: Aus populären Filmen?
Lohlker: Ja, ich hab mal gesehen wie sie eine Schwertszene aus „300“ genommen haben (Film von Zack Snyder über König Leonidas Kampf gegen die Perser im Jahre 480 v.Chr., Anm.).
Sie haben das reingeschnitten und einfach noch Blutstropfen
hinzugefügt. Die jungen Leute die heutzutage in diese Kriegsgebiete
gehen, sind natürlich mit der ganzen Medienkultur aufgewachsen und
können damit umgehen.
mokant.at: Bedienen Sie sich neben den Videos noch anderer Hilfsmittel?
Lohlker: Eine Zeit lang wurden IS-Erklärungen über eine
App verbreitet. Die laden sich Interessierte auf ihr Handy und dann
werden sie automatisch mit Informationen, Videos, Postings versorgt.
Somit müssen sie nicht extra suchen und können es auch gleich weiter
schicken. Man sollte nicht unterschätzen wie bewusst in
dschihadistischen Kreisen damit umgegangen wird.
mokant.at: Das scheinen dann also regelrechte Marketingprofis zu sein?
Lohlker: Es wird vom IS sogar ständig nach IT Leuten
oder Webdesignern gesucht! Falls das mit dem Dschihad nichts wird, steht
ihnen wohl eine Marketingkarriere bevor.
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