Kein Einkommen, kein Mietvertrag, bloß kein Konsum: So hat Friedrich Liechtenstein jahrelang gelebt. Bis er als der Mann aus der Edeka-Werbung zum Star wurde.
Friedrich Liechtenstein, 58, sitzt in der Cafeteria der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin und posiert so, wie man ihn kennt: superlässig. Hier hat er zu DDR-Zeiten seinen Abschluss als Puppenspieler gemacht. Später versuchte er, berühmt zu werden, erst in der freien Theaterszene, dann als Popmusiker. In Berlin galt er lange als Geheimtipp - aber leben konnte er von seiner Arbeit als Künstler nicht. Bis er Anfang des Jahres die Hauptrolle in einem Werbespot für Edeka spielte. In dem Video badet er in Milch und Knuspermüsli, tanzt durch das Zimmer einer Frau und singt: "Superuschi, Supermuschi, Supersushi, supergeil!" Damit wurde Friedrich Liechtenstein über Nacht zum Star.ZEIT Campus: Herr Liechtenstein, sind Sie jetzt eigentlich ein reicher Mann?
Friedrich Liechtenstein: Für mich ist es schon viel Geld, was ich für die Kampagne bekommen habe. Aber wenn ich als Zivilpolizist oder Lehrer arbeiten würde, hätte ich mehr Geld. Ich besitze seit Jahren bloß ein paar Unterhosen und etwas Kleidung zum Wechseln - mehr nicht. Ich habe nach wie vor keinen Bock, mir etwas zu kaufen. Wenn ich etwas brauche, dann kann ich mir das irgendwo ausleihen.
ZEIT Campus: Aber ein bisschen wird sich Ihr Leben seit dem Edeka-Song doch verändert haben?
Liechtenstein: Ja, ich fahre jetzt auch mal längere Strecken mit dem Taxi, nicht nur kurze. Wenn ich essen gehe, lasse ich mich nicht mehr einladen, sondern lade andere Leute ein. Solche Sachen. Wenn ich wie andere ein Auto hätte und normal meine Miete bezahlen müsste - dann wäre ich ein armer Mann.
ZEIT Campus: Sie müssen keine Miete zahlen?
Liechtenstein: Nein, ich bin Schmuck-Eremit. Ich lebe öffentlich in den Räumen einer Brillengalerie in Berlin. Ich bin Teil der Ausstellung, deshalb darf ich dort umsonst wohnen. Früher lebten Eremiten auf Schlössern, durften sich nicht die Haare schneiden und wurden von Besuchern begafft. Bei mir ist das anders, ein bisschen pflegen muss ich mich schon. Aber ich brauche keine Miete zu zahlen. Trotzdem ziehe ich bald in eine eigene Wohnung.
ZEIT Campus: Sie besitzen fast nichts, Sie kaufen fast nichts, Sie haben nicht mal eine Wohnung. Waren Sie schon immer so drauf?
Liechtenstein: Nein, das habe ich mir nach der Wende langsam erarbeitet, sage ich mal. Früher, in der DDR, hatten meine damalige Frau und ich ein Häuschen und drei Kinder.
ZEIT Campus: Sie haben damals als Puppenspieler gearbeitet. Wie sind Sie dazu gekommen?
Liechtenstein: Auf Umwegen: Ich hatte den utopischen Traum, Algenforscher zu werden. Aber beim Militär habe ich dann gemerkt, dass ich in der Kultur vielleicht besser aufgehoben wäre. In der Zeitung hat meine Frau was über die Schauspielschule hier gelesen. Sie meinte, das ist was für mich. Ich habe mich beworben, und dann war ich dabei.
ZEIT Campus: Was haben Sie hier gelernt?
Liechtenstein: Ich zehre heute noch vom Musikunterricht und von den Körpersachen: Stimmtraining, Tanz, Akrobatik, Pantomime. Witzig war aber auch das sogenannte Mitteltraining: Da konnte man lernen, seine Finger richtig zu bewegen.
ZEIT Campus: Und nach der Ausbildung tourt man durch Gemeindezentren und Turnhallen?
Liechtenstein: Ja, und durch einige Theater. Die DDR war ein merkwürdiges System. Die Dinge, die es in der freien Wirtschaft schwer haben, Puppenspiel zum Beispiel, für die hat der Staat gesorgt. Als Künstler lebte man damals nicht in der Wildnis. Das war eher wie im Zoo.
ZEIT Campus: Aber Sie konnten in der DDR gut leben?
Liechtenstein: Ja, Künstler hatten einen sehr guten Status: schöne Wohnungen, Sozialprestige und gutes Einkommen. Man konnte auf Augenhöhe mit einem Anwalt reden - der war sogar neidisch, weil man eine coole Zeit hatte.
ZEIT Campus: Klingt, als wäre es früher besser gewesen.
Liechtenstein: Na ja, man hatte ein bisschen mehr Bock auf Schlendrian in der DDR. Viele Ideen waren leider nicht richtig ausgetüftelt. Die Häuser waren grau, und die Autos sahen scheiße aus. Das war alles nicht zu Ende gedacht.