Im Museum mit Anne Junk, Kuratorin der Ausstellung über Nashörner und deren Diebstahl in Offenburg
Im Februar 2012 schlägt die Nashorn-Mafia in Offenburg zu. Mit einem Vorschlaghammer rücken die Täter einer Nashorn-Trophäe zuleibe und stehlen zwei Hörner. "Warum", will Anne Junk, Kuratorin des Museums, wissen. Sie forscht nach und konzipiert die Ausstellung "HORN_LOS. Nashorn-Raub in deutschen Museen", die von heute, Samstag, an im Museum im Ritterhaus in Offenburg zu sehen ist. Karen Bauer hat Anne Junk vor der Vernissage besucht.
Wie eine stumme Mahnung ragt der wuchtige, graue Kopf aus der Wand in den Raum herein. Wo sich einst zwei stolze Hörner aus der Schnauze des Nashorns in die Höhe reckten, zieht sich ein Riss vom rechten Auge bis zur Schnauze des Dickhäuters, zwei nackte, runde Holzplatten auf dem Nasenrücken zeugen von der Freveltat.
"Das war ein Schreck", beschreibt Anne Junk, wie sie sich fühlt, als sie am 18. Februar 2012 von dem Nashorn-Raub in ihrem Museum erfährt. Schnell findet die Kuratorin heraus: Das war kein Einzelfall. Museen in ganz Europa sind bereits Opfer der Räuber geworden. Doch während andere betroffene Museen die "enthörnten" Nashorn-Präparate sofort aus der Ausstellung entfernen oder mit künstlichen Hörnern ausstatten lassen, entscheiden sich Anne Junk und ihr Team ganz bewusst dafür, den Frevel offen zu zeigen und ihr Nashorn so zu belassen, wie es ist - hornlos. "Das war so unbegreiflich", erinnert sich die Kuratorin. Nachforschungen werfen zudem nur mehr Fragen auf und so beschließt sie das zu tun, was sie am Besten kann: Sie konzipiert eine Ausstellung zum Thema Nashorn-Raub.
Zunächst stand natürlich die Frage im Raum: Wer steckt hinter den Diebstählen in europäischen Museen? "Doch die Diebstähle waren nur die Spitze des Eisbergs, das wahre Drama spielt sich in Afrika ab", findet sie heraus. Denn in Südafrika, wo die meisten Nashörner heute leben, werden 2013 vermutlich mehr als 1000 Nashörner von Wilderern allein um ihres Horns willen geschlachtet. Dass Nashorn auf dem asiatischen Schwarzmarkt, vor allem in China und Vietnam, zu schwindelerregenden Preisen als Heilmittel verkauft wird, ist kein Geheimnis. Warum aber der Bedarf an Nashorn gerade in den zurückliegenden beiden Jahren so sprunghaft ansteigt, bleibt Anne Junk ein Rätsel. Und je mehr sie sich mit dem Thema beschäftigt, umso dringender möchte sie wissen, welche Möglichkeiten es gibt, um die Ausrottung der Dickhäuter, von denen weltweit nur noch 20 000 am Leben sind, noch zu verhindern.
Nur vier Räume hat die Kuratorin, um all diesen Fragen zu dem globalen und so facettenreichen Problem des Nashorn-Handels gerecht zu werden - ein ehrgeiziges Projekt! Doch Anne Junk ist sich dessen bewusst. "Natürlich wäre es schön, noch tiefer zu schürfen, mit unseren Möglichkeiten können wir nur ein Stück weit gehen. Aber manchmal ist es schon gut, ein Thema anzustoßen!" Engagiert geht sie die Herausforderung an und zieht Experten zurate: Europol und Kriminalpolizei stellen Ermittlungsakten und Beweisstücke zur Verfügung, der WWF liefert Fotos, Naturkundemuseen geben ihre enthörnten und wieder restaurierten Nashorn-Trophäen als Leihgaben. Und mithilfe eines Kenners findet sie heraus, dass Nashorn in der chinesischen Medizin gar nicht als Potenzmittel gilt - ein Mysterium des Westens.
Einen Tag vor der Vernissage sieht Anne Junk in ihrer kleinen aber thematisch weiten Ausstellung nach dem Rechten, sorgt dafür, dass noch eine letzte Beschriftung angebracht wird. Es ist ihr wichtig, dass die Museumsbesucher nicht nur zuschauen: An vielen Stellen sind sie eingeladen, selbst mitzumachen. "Hier können sie selbst spüren, wie schwer so ein Horn ist", sagt Anne Junk und hebt einen Sack hoch, der mit etwa zweieinhalb Kilogramm Sand gefüllt ist. An anderer Stelle sollen die Besucher wählen, welche Methode zum Schutz der Nashörner sie als die wirksamste erachten.
Doch im Zentrum der Ausstellung steht - das hornlose Nashorn. "Unser Nashorn hat durch den Diebstahl zwar an materiellem Wert verloren, durch seine Geschichte an Ausstellungswert aber vielleicht sogar gewonnen. So können wir auf das Problem aufmerksam machen", ist sie sich sicher. Und das ist schließlich ihr Hauptanliegen: ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.
"Alle, die an der Ausstellung beteiligt sind, sind schließlich mittlerweile zu Nashorn-Fans geworden", sagt Anne Junk. Sie selbst war zwar während des Studiums schon in Afrika, Nashörner in freier Wildbahn hat sie aber noch nicht gesehen. "Das wäre schon eine tolle Sache", sagt Anne Junk und lacht, "geplant ist es aber noch nicht."
Anne Junk, 53, ist Ethnologin und Kuratorin der Ausstellung; geöffnet Di. bis Fr. 10 bis 17 Uhr
Autor: Karen Bauer