ls die erste Zuschauerin schon keine Lust mehr hat, ist Angela Merkel noch nicht einmal auf der Bühne. Unruhig nestelt Meike, vier Jahre, blonde Locken, Blümchenkleid, am Jackenärmel ihrer Mutter: „Mamaaaa, wann gehen wir denn zu Sarah Connor?" Die Angesprochene reagiert nicht gleich, blickt angestrengt auf ihr Handy, hält es dann hoch in Richtung Bühne, macht ein Foto und beäugt es zufrieden. Kamera einsatzbereit. „Ein bisschen musst du dich noch gedulden", erwidert sie dann. „Zu Sarah Connor gehen wir später. Jetzt kommt erstmal die Angie." Meike seufzt und fügt sich ihrem Schicksal.
Angela Merkel stimmt zwar in der Regel leise, meist auch dieselben Töne an und ist auch nicht als Entertainerin einschlägig - trotzdem wird sie an diesem schwül-warmen Abend am Universitätsplatz von Fulda empfangen wie ein Popstar. Als sie zu lauter Rockmusik auf die Bühne kommt und an das Rednerpult tritt, stehen die Leute von den Festbänken auf, applaudieren, schwenken Transparente und Handykameras oder setzen ihre Kinder auf die Schultern.
Fulda ist eine CDU-HochburgJubel für die wahlkämpfende Kanzlerin - das war bislang nicht überall so. Bei ihrem Wahlkampfauftakt im hessischen Gelnhausen und auch bei den Auftritten in Thüringen und Sachsen wurde Merkel massiv angefeindet und beschimpft. Auch in Fulda sind knapp hundert Gegendemonstranten gekommen - vorwiegend AfD-Anhänger. Sprüche wie „No Merkel - no cry" oder „Grenzen zu statt CDU/CSU" prangen auf ihren Plakaten. Doch die Pfiffe, Ratschen, „Hau ab" - „Lüge"- oder „Merkel muss weg"-Rufe können den Applaus der CDU-Anhänger diesmal nicht übertönen.
In der barocken Domstadt am Rande der Rhön hat die CDU-Vorsitzende leichtes Spiel. Der christlich-konservativ geprägte Landkreis ist eine CDU-Domäne. Die Christdemokraten erzielen in Osthessen regelmäßig ihre mit Abstand besten Wahlergebnisse. Außer 1993 lag die CDU bei Kommunalwahlen im Kreis Fulda immer bei über 50 Prozent. Bei Parlamentswahlen gewinnen seit 1949 stets die Direktkandidaten der CDU.
Angela Merkels Besuch in der beschaulichen Kleinstadt ist schon ihr 23. Wahlkampfauftritt, 50 sollen es am Ende sein. Ihr Konkurrent Martin Schulz plant sogar 60 Termine und will bis zum 24. September etwa 20.000 Kilometer zurückgelegt haben.
Auf den Festbänken ist kein Platz mehr frei, auch dahinter stehen Schaulustige in dichten Reihen, über 4000 Menschen sind es. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Fuldaer Lokalpolitiker begleiten Angela Merkel auf die Bühne. Die Kanzlerin, noch mit leichter Urlaubsbräune und in rosafarbenem Blazer, ist auch an diesem Tag zwar keine flammende Rednerin, aber immerhin ist ihre Botschaft prägnant: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben", steht auf ihrem Rednerpult. Für Merkel ist das schon der Ist-Zustand oder in ihren Worten: „Wir stehen gerade sehr gut da." Wem Deutschland das zu verdanken hat? Für die Kanzlerin liegt die Antwort auf der Hand: Die Union habe in den vergangenen zwölf Jahren viel erreicht.