Im Vorfeld eines solchen Aufenthalts schwanken die meist zwischen kindlicher Vorfreude, mulmiger Unsicherheit und ängstlicher Nervosität hin und her - je nach Tageszeit und Stimmung. Hat man schließlich von seinem alten Leben Abschied genommen und ist endlich angekommen, beginnt die erste Phase der Eingewöhnung. Und wird - wie in meinem Fall - euphorisch. Man begibt sich auf Erkundungstouren quer durch die Stadt, besucht Sehenswürdigkeiten, sucht die coolsten Lokale - und knüpft Kontakte. Die Bars sind hip, die Leute super nett, die Arbeit spannend, das Leben wunderschön. Eine Welt voller Möglichkeiten versteckt sich hinter der neuen Haustür.
Doch manchmal braucht es auch nicht lange, und es ändert sich etwas. Denn beginnt etwas, das ich Zeit der "Normalisierung" nenne. Die erste Euphorie ist verflogen, anfängliche Ängste überwunden - man hat es irgendwie geschafft, sich einzuleben und es sich, hoffentlich, auch irgendwie heimelig zu machen. Den schnellsten Weg ins Büro kennt man jetzt, den besten Bäcker auch, braucht keinen Öffiplan und, sehr essentiell, fühlt sich immer seltener als Tourist.
Aber dann, schleichend, passiert es. Nervt es.
Vielleicht ist es die Feindseligkeit im Büro, die Unhöflichkeit am Morgen, die teuren Preise oder das schlechte Wetter. Die Stimmung kippt. Plötzlich denkt man öfter wieder an zu Hause und beginnt, die Menschen zu vermissen, die nicht teilhaben können an dieser Erfahrung, die immer nur aus der Entfernung hören, was gerade läuft. Und ja, klar. Die Stadt ist schön, aber nicht schöner als jene, aus der man kommt; die Kollegen nett, aber noch keine Freunde; das Essen gut, aber auch nicht besser. Irgendwann, wie ein Kind, will man wieder nach Hause.
Irgendwann ist es nicht mehr wichtig, wie schön die Gebäude, wie historisch bedeutend die Stadt, wie spannend der Job ist. Wenn sich der Alltag nicht richtig anfühlt, man dazu keinen richtigen Zugang findet, wird das Ausland zur Fremde. Und bleibt es.Es ist mein zweites Mal, dass ich in Frankreich lebe. Vor zwei Jahren ging ich für sechs Monate für ein Erasmus-Semester nach Paris, seit knapp zwei Monaten bin ich nun Trainee im Europäischen Parlament in Straßburg. Für mich ist das Alleinsein, im Auslandsein also nicht neu und auch nicht, die unterschiedlichen Phasen des Fremdseins zu durchleben. Dieses Mal wusste ich bereits, was mich erwarten würde.
Doch ist es trotzdem anders. Als Student im Ausland hat man vor allem eins: Großen Spaß. Man fühlt sich frei und ungebunden, reist quer durchs Land und feiert so oft es geht - die Vorlesungen auf der Uni laufen sowieso nur nebenbei. Und auch deshalb war Paris so etwas wie die time of my life; eine der schönsten Phasen in meinem Leben, eine Erfahrung, die ich niemals vergessen werde.
Im Ausland zu arbeiten ist ganz anders. Es erfordert von mir die Offenheit, die Bereitschaft und den Willen, mir einen komplett neuen Alltag zu schaffen, und ihn zu mögen. Wo nicht das Besondere überwiegt, sondern das Alltägliche.Noch heute verzaubert mich diese Stadt, wenn ich durch ihre Gassen bummle, in ihren Bistrots sitze und den Eiffelturm sehe. Sie löst in mir ein Gefühl von Heimat in der Fremde aus, Geborgenheit, Vertrautheit. Die Erinnerung verblasst natürlich mit jedem Tag, dennoch habe ich es geschafft, sie als Emotion zu konservieren. Als Teil meines Lebens.
Im Ausland zu arbeiten ist allerdings ganz anders. Straßburg ist anders. Hier zu arbeiten erfordert von mir die Offenheit, die Bereitschaft und den Willen, mir einen komplett neuen Alltag zu schaffen - und ihn zu mögen. Wo nicht das Besondere überwiegt, sondern das Alltägliche. Wo nicht jeder Tag ein neues Abenteuer, sondern Gewohnheit ist. Denn irgendwann ist es nicht mehr wichtig, wie schön die Gebäude, wie historisch bedeutend die Stadt, wie spannend der Job ist. Wenn sich der Alltag nicht richtig anfühlt, man dazu keinen richtigen Zugang findet, weil die Umstände nicht stimmen, wird das Ausland zur Fremde. Und bleibt es.
Zwei so unterschiedliche Erfahrung in ein und demselben Land zu machen ist spannend. Denn offensichtlich ist es nicht nur die Liebe zu einem Land wie Frankreich, zu seiner Sprache und Kultur, die darüber entscheidet, wie wohl ich mich in ihm fühle. Sondern ob und wie erfolgreich ich dabei bin, den neuen, ungewohnten Alltag zu meinem eigenen zu machen. Wenn man das nicht schafft, fehlt der nötige Funken - er wird nicht überspringen. Das Fremde bleibt was es ist. Und einem selbst fehlt die Motivation, das zu ändern.
Ins Ausland gehen bedeutet jedes Mal, ein Risiko einzugehen. Und nicht immer geht es auf.
https://www.youtube.com/watch?v=MARsW26KXQg