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„Ich verbringe sehr viel Zeit an der FH – teilweise mehr als Zuhause.“


Studieren an der FH hat einen großen Vorteil: Durch den strengen Studienplan ist ein schneller Abschluss vorprogrammiert. Viel Lernstoff in kurzer Zeit bedeutet aber auch Stress: Durchzechte Lernnächte und der dazugehörige Energydrink-Vorrat gehören zum FH-Starterpaket.  


„Ich verbringe sehr viel Zeit an der FH – teilweise sogar mehr als Zuhause. Das Studium kann sehr stressig sein. Gerade während den Prüfungsphasen ist es schwierig alles unter einen Hut zu bekommen“, sagt Sandra Hirzerbauer. Die 20-Jährige studiert im Bachelorprogramm „Biomedizinische Analytik“ an der FH Wiener Neustadt. Sie ist eine von rund 53.400 FH-Studenten in Österreich. 

Der Stundenplan an der FH ist streng vorgegeben und vollgefüllt mit Lehrveranstaltungen. Viele Studierenden klagen deshalb über wenig Freizeit, permanenten Druck und Dauerstress. So auch Sandra: „An der Uni würde sich niemand den Stundenplan so vollpacken. An der FH geht es nicht anders.“ Die Studentin findet den straffen Zeitplan zwar anstrengend, hat sich aber bewusst für ein FH-Studium entschieden. Die vorgegebene Struktur sorgt nämlich für einen sicheren und schnellen Abschluss. Das spiegelt sich auch in der Statistik wider: Während Studierende an Universitäten durchschnittlich acht Semester für ihren Bachelor brauchen, sieht der FH-Stundenplan sechs Semester vor.  

Das ist einer der Hauptgründe, warum sich Sandra für die FH entschieden hat. Ursprünglich wollte sie an einer öffentlichen Universität studieren. Im Wintersemester 2017 hat sie das Bachelorprogramm in Pharmazie an der Universität Wien begonnen. Lange hat ihre anfängliche Euphorie nicht angehalten: Schon im ersten Semester hatte die 20-Jährige Mühe, ihren persönlichen Zeitplan einzuhalten. Die mangelnde Struktur hat zum Faulenzen eingeladen. „Ich brauche den Druck. Ich brauche eine Deadline. An der Uni kann man alles immer verschieben, wie es einem passt. Das war nichts für mich“, sagt sie. Nach zwei Semestern hat sie das Handtuch geworfen und sich an der FH beworben. 

Ihrem Beispiel folgen immer mehr Studierende: Während die Anzahl an ordentlichen Studierenden an öffentlichen Universitäten sinken, steigen sie an Fachhochschulen. Im Wintersemester 2018/19 gab es um 3,6 Prozent mehr Studenten an österreichischen FHs als noch ein Jahr zuvor. Verglichen mit der Gesamtanzahl ist der Anteil der FH-Studenten dennoch relativ gering: Im Studienjahr 2018/19 besuchten gerade einmal 14 Prozent der Studierenden eine FH. 

Praxisprojekte und Prüfungsstress 

An der FH steht die Praxis im Vordergrund. Studierende müssen den Lernstoff deswegen häufig in Form von Präsentationen ausarbeiten. Die Projekte sind meist relativ einfach, aber dennoch zeitintensiv. Die Workload aus den unterschiedlichen Fächern summiert sich. „Man muss Sachen kontinuierlich ausarbeiten. Es gibt Fächer, in denen ich jede Woche eine Hausaufgabe bekomme. Diese Projekte sind ziemlich dicht am Anfang des Semesters. Gegen Ende hin flachen sie ab und machen Platz für Prüfungen“, sagt Matthias Bauer. Der 25-Jährige studiert an der FH Campus Wien den Master in Molekularer Biotechnologie. Er hat auch seinen Bachelor an der FH gemacht. 

Im Gegensatz zu Universitätsstudenten können sich Studierende an der FH nicht aussuchen, wann sie zu einer Prüfung antreten. Der Stundenplan gibt fixe Termine vor. Während den Prüfungsphasen am Ende des Semesters müssen die Studierenden mehrere Prüfungen zugleich vorbereiten. Je nachdem, wie gut die Kommunikation zwischen den Studierenden und dem Organisationsteam ist, lassen sich die Termine aber auch koordinieren.  

In der Kohorte von Matthias kam es während des Bachelors öfters vor, dass Prüfungen auf Wunsch der Studierenden verschoben wurden. Die kleine Studienganggröße erleichtert Kompromisse bei der Terminfindung. Außerdem kennen die Lektoren die Studierenden meistens persönlich. „Das Angenehme an der FH ist, dass wir ein direktes Sprachrohr zur Planung des Semesters haben. Unsere Kohortensprecherin hat sich zu Beginn des Semesters immer angesehen, wo es knapp werden könnte und dann mit dem Lehrkörper gemeinsam Prüfungstermine überdacht“, erzählt Matthias. 

Im Jahrgang von Sandra ist das anders. An ihrer FH werden Prüfungstermine nur selten an den restlichen Stundenplan angepasst. Das ärgert Sandra: „Das Problem ist, dass wir teilweise ein oder zwei Monate lang keine Prüfung haben. Im Dezember oder Mai kommt dann alles auf einmal: Manchmal sind es drei Prüfungen in 48 Stunden. Man kann schon mit den Vortragenden reden, ob man eine Prüfung verschieben kann. Ob das dann wirklich umgesetzt wird, hängt stark vom Vortragenden ab. Prinzipiell muss ich in der Prüfungsphase fast immer für mehrere Prüfungen parallel lernen.“

An der FH Joanneum in Graz haben die Studierenden bei der Prüfungsplanung mehr Flexibilität. Hier können die Studierenden beim ersten Prüfungsantritt sogar zwischen zwei Terminen wählen. Einer wird am Ende des aktuellen Semesters und einer am Anfang des nächsten Semesters angeboten. Dadurch wird der Stress deutlich reduziert. „Das ist bei uns eine Frage der Einteilung. Ich habe im letzten Sommersemester zwei Prüfungen auf den Herbst verschoben. Da wäre es in der Prüfungswoche sonst knapp geworden. So war es wirklich machbar“, erzählt Valentin Kaltenegger. Der 21-Jährige studiert den Bachelor Informationsmanagement.

Anwesenheitspflicht 

An der FH gilt ähnlich wie bei Seminaren an der Universität Anwesenheitspflicht. An den meisten Fachhochschulen müssen die Studierenden dabei zwischen 70 und 80 Prozent der Vorlesungen anwesend sein. Fehlt ein Studierender zu oft, verliert er an den meisten FHs einen Prüfungsantritt.  

Gerade während Prüfungsphasen erschwert die Anwesenheitspflicht die Zeiteinteilung, findet Sandra. „Man muss den ganzen Tag dort sein und dazwischen sollte man auch noch lernen. Im letzten Mai hat mein Tagesablauf ungefähr so ausgesehen: Ich bin um sechs Uhr aufgestanden und auf die FH gefahren. Dann war ich den ganzen Tag dort und habe Vorlesungen besucht. Am Abend bin ich heimgekommen und habe bis elf gelernt. Am nächsten Tag hat alles von vorne begonnen.“ 

Valentin hingegen findet den Zeitaufwand nicht weiter tragisch: „Es ist ein Mythos, dass man den ganzen Tag an der FH sitzt. Klar, es gibt eine Anwesenheitspflicht, aber man darf schon ab und zu auch fehlen.“ An der FH Joanneum müssen die Studierenden bei 80% der Lehrveranstaltung anwesend sein. Genug Spielraum für die ein oder andere Fehlstunde, sagt Valentin. „Es gibt Leute, die sich bei Lehrveranstaltungen ausrechnen, wie oft sie fehlen dürfen. Ob ich da jetzt dazugehöre sei dahingestellt. So kann man sich dann die Zeit für das Lernen besser einteilen oder auch einmal zuhause bleiben, wenn es wirklich stressig ist.“ 

Taktisches Fehlen, um genug Zeit zum Lernen zu haben? An der FH gehört das genauso zum Studienalltag dazu wie die ein oder andere lange Lernnacht. Gerade in den Prüfungsphase steigt das Stresslevel durch die mangelnde Flexibilität bei der Zeiteinteilung. Dafür sind die meisten FH-Studenten in Mindeststudienzeit fertig. Der schnelle Abschluss hat eben seinen Preis.