„Haben Sie denn keine Sehnsucht nach Israel?", hatte eine Verdächtige Kommissarin Sara Stein noch in der ersten Folge des „Tel-Aviv-Krimis" gefragt. Nun, in der zweiten Folge „Shiv'a", hat es Stein, gespielt von der Theaterschauspielerin Katharina Lorenz, tatsächlich von Berlin nach Israel gezogen. Nicht etwa wegen ihrer jüdischen Wurzeln, sondern der Liebe wegen. Regisseur Matthias Tiefenbach („Tatort") gelingt es, den Charakter der ersten Folge in „Shiv'a" wieder aufzugreifen und gleichzeitig eine völlig neue Geschichte zu inszenieren. Das Spiel um die verschiedenen Religionen ist dabei genauso spannend wie die Frage nach dem Mörder selbst. Bis zum Ende ist man zwischen den möglichen Verdächtigen hin- und hergerissen und fühlt mit Sara Stein mit, die sich gerade noch selbst als „keine Vorzeige-Jüdin" bezeichnet hat und sich plötzlich inmitten der religiösen Konflikte Israels wiederfindet.
Der zweite Teil beginnt dort, wo der erste aufgehört hat: in Tel Aviv. Kommissarin Stein hat inzwischen den israelischen Pianisten David Shapiro geheiratet und bekommt nach einem Jahr Polizeiakademie ihren ersten Fall bei der Mordkommission Tel Aviv zugewiesen: Chefinspektor Noam Shavit wurde ermordet in seiner Wohnung aufgefunden. An einen Stuhl gefesselt, eine Plastiktüte über dem Kopf, ist er erstickt. Stein soll zum Missfallen ihrer neuen Kollegen als Unbeteiligte in Noams Mordfall ermitteln.
Ein Verdächtiger ist schnell ausgemacht: Der Palästinenser Ilan Katz. Ihm wird vorgeworfen, vor zweieinhalb Jahren auf ganz ähnliche Weise seine Arbeitgeberin Rachel Elí beraubt und ermordet zu haben. Noam hatte damals in dem Fall ermittelt, konnte Katz jedoch nichts nachweisen.
Gerade für die männlichen Kollegen, die sich fast gegen die Kommissarin verbünden - allen voraus Inspektor Jakoov Blok (Samuel Finzi), mit dem Stein zusammenarbeiten soll -, ist der Fall damit klar: Es muss der Palästinenser sein, der den Juden getötet hat. Doch Kommissarin Stein lässt sich, wie schon in Berlin, nicht von Politeleien beirren und ermittelt weiter in alle Richtungen.
Stück für Stück stellt sich heraus, dass hier so ziemlich jeder gegen jeden ist: Israelis gegen Russen, Palästinenser gegen Juden, Juden gegen Moslems ... und das Revier gegen Inspektor Blok? Auch Steins Kollege, so scheint es, hängt wohl in der Sache mit drin. Oder warum sollte er sonst leugnen, die Frau des toten Noam, die einige Wochen vor dem Tod ihres Mannes an Krebs gestorben war, genauer gekannt zu haben? Sara Steins Ehemann David verschweigt ihr etwas Grundlegendes über Inspektor Blok, sogar ihre Schwiegermutter scheint etwas für sich zu behalten. Rätsel, wohin man auch schaut.
Die Verdächtigen in dem „Tel-Aviv-Krimi" wechseln so schnell wie das Wetter in den Aufnahmen der Metropole - was aber nicht stört, im Gegenteil: Die vielen Wendungen und Anspielungen machen die Geschichte spannend und kurzweilig. Anders als bei anderen ARD-Auslandskrimis bemängelt wurde, wird hier größtenteils auf werbefilmähnliche Landschaftsaufnahmen verzichtet. „Shiv'a" zeigt ausgewogen die ganze Vielfalt Tel Avivs mit seinen bunten Märkten, den verkommenen Hinterhöfen - aber eben auch den kilometerlangen Strand im Sonnenuntergang.
Katharina Lorenz spielt überzeugend die junge Kommissarin, die sich weigert, den politisch-religiösen Hass weiter anzufeuern und gleichzeitig immer häufiger mit den Maßstäben ihrer eigenen Religion konfrontiert wird. Samuel Finzi hingegen geht in seiner Rolle als verschlossener Kollege fast zu weit. Klischeehaft werden er und seine männlichen Kollegen als harte Hunde inszeniert, die im Hintergrund die Fäden in den Händen halten, während die Frauen in Tel Aviv überspitzten Rollenbildern zugeordnet werden können: die herrische Schwiegermutter, die sich einen Enkel und eine Schwiegertochter am Herd wünscht. Die Musiklehrerin, die alles tut, um der Schwiegermutter zu gefallen und ja so gut und gerne kocht. Und vor allem die junge Kollegin, die zuerst zickig und in der nächsten Szene mit einem Coffee to go in der Hand, „News" ausplaudert - und, ach ja, wie sollte es auch anders sein: grottig Auto fährt.
Wer über diese kleinen Schwächen hinwegsieht, findet im „Tel-Aviv-Krimi: Shiv'a" einen vielschichtigen Krimi mit kurzweiligen Handlungen, der gerade in unserer heutigen Zeit die Frage nach der Religion im Alltag widerspiegelt - und Vorfreude weckt auf die nächste Folge.
„Der Tel-Aviv-Krimi: Shiv'a", Donnerstag, 10. März, 20.15 Uhr, ARD