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Wie Menschen in Hamburg diskriminiert werden

Hamburg. Wenn der Nachname zum Problem wird: Nachdem das städtische Wohnungsunternehmen Saga eine Bewerberin mit türkischem Namen bei der Wohnungsvergabe diskriminiert haben soll, berichten weitere Institutionen von verbreiteter Ausgrenzung von Menschen mit ausländischen Namen - vor allem bei Bildung, Wohnen und Arbeit. Die nun richterlich bestätigte Diskriminierung sei kein Einzelfall. Einer Erhebung der Hamburger Antidiskriminierungsstelle zufolge bezieht sich jede fünfte Erfahrung von Ausgrenzung auf die Wohnungssuche.


Ausländer haben Probleme bei Job- und Wohnungssuche

Wie berichtet, hatte das Amtsgericht Barmbek die Saga zu einer Entschädigungszahlung von 1008 Euro verurteilt, weil das Unternehmen sieben Interessenten mit deutsch klingendem Namen zu einem Besichtigungstermin eingeladen hatte, während die Klägerin und sechs weitere Bewerber mit türkischem Namen wegen „erschöpfter Besichtigungskapazitäten" nicht berücksichtigt wurden.


Vor Gericht berief sich die Saga auf eine Ausnahmebestimmung im Gleichbehandlungsgesetz, wonach Ausgrenzung zulässig ist. Das Gericht war aber der Klägerin gefolgt: Ungleichbehandlungen seien nur zugunsten benachteiligter Gruppen möglich. Der Antidiskriminierungsverband sprach von einem „wegweisenden Urteil zu dem weit verbreiteten Problem rassistischer Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum". Die Saga kündigte Berufung an.


Nur wenige Fälle kommen zur Anzeige

Laut Hamburger Diskriminierungsreport werden 93 Prozent der Betroffenen wegen ihrer ethnischen Herkunft, 37 Prozent wegen ihrer Hautfarbe und 34 Prozent aufgrund ihrer Sprache ausgegrenzt. Und das nicht nur bei der Wohnungssuche, 41 Prozent aller Ausgrenzungserfahrungen bezogen sich auf die Arbeit. Mindestens 351 Verfahren wegen Diskriminierung sind zwischen 2012 und 2016 allein bei den Arbeitsgerichten der Stadt eingeleitet worden. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, da die wenigsten Fälle zur Anzeige kommen, sagt Petra Lotzkat, Amtsleiterin für Arbeit und Integration in der Sozialbehörde.


„In unserer Gemeinschaft hat jeder Dritte schon einmal über Diskriminierung geklagt", sagt Nebahat Güçlü, Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Hamburg. Auch Russen und besonders Afrikaner würden immer wieder über Ausgrenzung berichten, sagt sie. Das Problem sei, dass Diskriminierung als Kavaliersdelikt angesehen wird. „Die geringen Strafen nehmen Unternehmen in Kauf", so Güçlü. „Unser Verband fordert deshalb seit Langem. Diskriminierung zum Straftatbestand zu machen."


Hälfte der Mieter hat Migrationshintergrund

„Dass anhand von Namen und daraus abgeleiteter Herkunft unterschieden wird, ist so alltäglich wie skandalös", berichtet Birte Weiß von der Antidiskriminierungsstelle der „taz". Die Saga wiederum stellt fest, dass die Hälfte ihrer Mieter einen Migrationshintergrund habe, auch im beklagten Fall sei letztlich an Personen aus dieser Gruppe vermietet worden. Trotz Berufung, sagt Unternehmenssprecher Gunnar Gläser, „haben wir das Urteil zum Anlass genommen, Mitarbeiter zu Fragen des AGG weiter zu sensibilisieren."


Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin vom Verein Mieter helfen Mietern, stellt in Beratungsgesprächen häufig fest, dass Wohnungssuchende sich wegen ihrer Herkunft diskriminiert fühlen. Menschen mit Migrationshintergrund würden schnell Absagen bekommen. „Diskriminiert wird aber auch, wer alt ist oder wenig Geld hat", sagt sie nach 25 Jahren Erfahrung. Dies nachzuweisen sei häufig allerdings schwierig.


Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, beobachtet auf dem angespannten Wohnungsmarkt, dass Vermieter gezielt Mieter nach bestimmten Kriterien auswählen. „Grundsätzlich ist es aber nicht so, dass Menschen mit Migrationshintergrund diskriminiert werden", sagt er. „Wir nehmen nur wahr, dass einige Vermieter beim Mieter-Mix eine gewisse Auswahl treffen."


Anonymisierte Bewerbungen könnten zur faireren Verteilung von Jobs und Wohnungen führen. In vielen Ländern sind Bewerbungen ohne Foto und die Angabe von Name und Alter bereits Standard. Studien belegen, dass anonymisierte Bewerbungsverfahren besonders Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund bessere Chancen verschaffen. In einem Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) testeten Unternehmen solche Verfahren. Das Ergebnis war positiv. Doch nur die Stadtverwaltung Celle hält bis heute am anonymisierten Bewerbungsverfahren fest.

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