Wenn Jonas Langenberg vom Amt für Stadtentwicklung und Umwelt mit seinem Lastenrad durch den Neuruppiner Stadtpark fährt, mutet das an wie ein Waldausflug. Die alten Laubbäume rauschen im Wind. Es duftet nach feuchtem Holz. Entlang der Alleen wuchern Brennnesselfelder, bis plötzlich hinter dem von Schilf eingerahmten Froschteich ein akkurates Stückchen Park erscheint - mit gestutzter Buchsbaumhecke und mehreren Bänken. Gepflegt wird dieser Bereich vom Neuruppiner Verschönerungs-Verein, in dem sich Ehrenamtliche für den Park engagieren, sowie von den örtlichen Reservist*innen der Bundeswehr, die mit größeren Geräten die Flächen freihalten.
Waldbaden und Wild-ZirkusMehr und mehr Bürger*innen wollen den Stadtpark zu einem Lauf- und Erholungspark ausbauen und so aus seinem langjährigen Dornröschenschlaf wecken. Kinder und Senior*innen packen ebenso mit an wie Berufstätige. Denn durch seine Lage abseits der Altstadt, deren Restauration lange im Fokus kommunaler Investitionen lag, war der verkehrsmäßig schlecht angebundene Park über die Jahre geradezu in Vergessenheit geraten.
Für Claudia Neu, die als Professorin an den Universitäten Göttingen und Kassel über die Soziologie ländlicher Räume forscht, ist DEIN PARK ein gutes Beispiel für generationenübergreifendes Engagement. Für das internationale Demografie-Netzwerk Population Europe, angesiedelt bei dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung untersucht sie dieses und andere Beispiele in Deutschland - und zwar vor dem Hintergrund von Generationensolidarität in Zeiten von demografischem Wandel, Pandemie und Klimakrise. Sie beobachtet: „Solche Projekte sind besonders dann erfolgreich, wenn die jüngere Generation gestalten und ausprobieren darf und nicht nur die ältere unterstützt."
So liegt im Fall von Neuruppin nicht nur die Gestaltung, sondern auch die Präsentation der Arbeit im Rahmen von DEIN PARK in den Händen von Schüler*innen der Evangelischen Schule. Regelmäßig teilen sie Neuigkeiten auf der Homepage und dem Instagram-Kanal des Projektes. Auch ein virtueller Rundgang ist geplant, bei dem sie zum Beispiel Videos mit Übungen an den neuen Sportgeräten zeigen. So verknüpfen sie digitale Räume mit den analogen.
Dass die Initiative auch in der breiten Bevölkerung gut ankommt, zeigt der Anmelderekord für den Stadtparklauf, der 2022 erstmals mit einem Musikprogramm und Ständen einherging. Für September ist ein großes Fest geplant. „Diesen Leerraum selbst zu kultivieren, lässt allen Beteiligten einen großen Gestaltungsspielraum", sagt die Landschaftsarchitektin und Prozessbegleiterin Siri Frech, die die Projektstrategie für DEIN PARK entwickelt.
Projektleiter Jonas Langenberg von der Stadt Neuruppin hat plötzlich ganz neue Kontakte, zum Beispiel zur Jugendkunstschule, die mit einer Plakatkampagne auf die Angebote aufmerksam macht. Zugleich lernen die Akteur*innen auch die Vertreter*innen der Verwaltung kennen. Bei vielen Entscheidungen redet zudem der Denkmalschutz mit. Denn der Park steht auf einem ehemaligen Schießplatz der Armee. 1835 wurde er als Volkspark auf Initiative eines Obersts unter Mitwirkung des Gartenkünstlers Peter Joseph Lenné angelegt. Die letzte denkmalgerechte Renovierung liegt etwa 30 Jahre zurück. Seitdem wurde er nur noch notdürftig gepflegt, unter anderem weil der Stadt das Geld fehlte und andere Projekte im Vordergrund standen.
Die Analyse zeigt: Es gibt keine allgemeingültigen Lösungen, jede Gemeinschaft tickt anders. Mal können bereits kleine Dinge wie eine WhatsApp-Gruppe fürs Dorf viel bewirken. Dann wieder gibt es herausragende Fälle, in denen sich von Abwanderung betroffene Regionen ganz neu erfunden haben. So hat die dänische Kleinstadt Lemvig mit einem Klimamuseum eine besondere touristische Attraktion geschaffen und wird zum Begegnungsort für Expert*innen. Die ehemalige Industriestadt im Westen Dänemarks erlebt einen ähnlichen Strukturwandel wie das Ruhrgebiet. 2020 eröffnete ihr „Klimatorium", das auch durch seine außergewöhnliche Architektur zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist.
Auch wenn Neuruppin mit dem Ruppiner See und der aufwendig restaurierten Altstadt ein touristisches Ziel in Brandenburg ist, soll DEIN PARK kein Prestigeprojekt sein. Zwar dürften ihn durch eine bessere Beschilderung künftig auch Besucher*innen finden. „In erster Linie ist der Park aber für die Bewohner*innen unseres Ortes gedacht", sagt Jonas Langenberg.