In der Stadt gibt es zehn Vereine, die noch auf Asche spielen. Die Anlagen haben teils eine ungewisse Zukunft. Zu Besuch bei einem dieser Klubs.
Der Platz, den niemand will, ist an einem Dienstag gut besucht. Mehrere Mannschaften trainieren auf der Anlage der Sportfreunde 07 in Rüttenscheid. Es ist früher Abend, Mitte November, sechs Flutlichter erhellen das Feld. Eine F-Jugend macht ihr Abschlussspiel, zehn Kinder rennen, passen, schießen. Ihre Schuhe sind mit einer braunen Schicht belegt, die Hose des Torwarts verschmutzt. Die Spuren eines Ascheplatzes.
Die Sportfreunde 07 sind einer von zehn Klubs in Essen, der noch auf diesem Untergrund spielt. Wer das tut, macht es meistens, weil er muss. Die Asche stirbt aus, das steht schon länger fest. Sie verdreckt Trikots, lässt Bälle verspringen, leidet unter Regen und Trockenheit. Früher akzeptiert, gibt es heute eine Alternative: den Kunstrasen. Er hat den Platz der Asche eingenommen. Aber was wird aus denen, die noch immer darauf spielen?
Im
Vereinsheim der Sportfreunde sitzen der kommissarische Vorsitzende
Kai-Hendrik Haß, der kommissarische Jugendleiter Ralf Schäfer* und Uli
Schmidt. Wen es um die Asche geht, ist Schmidt der Ansprechpartner, seit
Jahren hält er Kontakte in die Politik. Denn die braucht es, wenn ein
Verein die Asche los werden will.
2022 bekommen drei Ascheklubs den ersehnten Kunstrasen
Mehrfach haben die Rüttenscheider versucht einen Kunstrasen zu bekommen. Es gab Überlegungen, an einen anderen Standort zu ziehen, sich die Anlage mit weiteren Klubs zu teilen. Alle Vorhaben scheiterten. Jetzt dürfen die Sportfreunde auf ihrem Feld bleiben, das scheint wohl sicher. Wann der Rasen kommt, ist hingegen ungewiss.
Der Geschäftsführer des Essener Sportbunds (ESPO) Thorsten Flügel kennt diese Situation, weiß welcher Verein noch warten muss, und wo ein Umbau bevorsteht. „Als wir nur vereinzelte Kunstrasenplätze hatten, war der Nachteil für die Vereine mit Asche überschaubar. Da konnte man viel mit guten Trainern und einer guten Vereinsarbeit ausgleichen“, erzählt er. Mittlerweile sei die Konkurrenz aber größer geworden – rund 40 Anlagen mit Kunstrasen gibt es in Essen.
Von den zehn Ascheklubs bekommen drei im nächsten Jahr einen neuen Platz. Ihre Zahl wird weiter sinken, bis ein kleiner Rest übrig bleibt. Bei den betroffenen Anlagen muss abgewogen werden, wie sich ihre Aussichten für die Zukunft gestalten. Die Überlebenschancen dieser Klubs schätzt Flügel als „sehr schwierig“ ein. Sie müssen befürchten, dass Spieler und Spielerinnen die Konkurrenz mit Rasen bevorzugen.
Sportfreunde 07 stellen die meisten Teams auf Asche in Esseb
Dabei hilft den Vereinen oft schon ein Datum für den möglichen Umbau. „Das gibt eine klare Perspektive. Wenn sie ins Blaue hinein mit ihren Mitgliedern reden, nach dem Motto: Irgendwann kriegen wir was, dann ist das immer schwierig“, so Flügel. Jene Perspektive hätten sie gerne bei den Sportfreunden. „Die Mitglieder fragen immer wieder: Was ist mit dem Kunstrasen? Und wir sagen immer: Wir sind in Gesprächen. Irgendwann nimmt es dir ja keiner mehr ab“, erzählt Uli Schmidt.
Mit
14 Teams, neun davon in der Jugend, stellen die Sportfreunde die
meisten Mannschaften eines Essener Ascheklubs. Dafür gibt es
verschiedene Gründe. Sie machen eine ordentliche Arbeit, das erzählt
auch Thorsten Flügel, es sei „ein gutgeführter Verein“. Ein weiteres
Plus: der Standort. Der Platz liegt mitten in Rüttenscheid, umgeben von
etwa 30.000 Einwohnern. Trotzdem sagt Jugendleiter Schäfer: „Asche
entzieht uns die sportliche Wettbewerbsfähigkeit.“
Untergrund ist entscheidend für die Vereinswahl in der Jugend
Der Faktor Kunstrasen werde ab der C-Jugend problematisch. „Wir haben dann zu kämpfen, den Stamm zu halten“, sagt er. Um das zu verstehen, reicht ein genauerer Blick in die Jugendabteilung. Die Sportfreunde haben seit Jahren keine A- und B-Jugend mehr. Schäfer schätzt, dass die Vereinswahl für weit über 90 Prozent der Spieler und Spielerinnen vom Untergrund abhängt. „Für diejenigen, die nicht wegen ihrer Freunde hierhin kommen, sondern weil sie den Sport ausüben möchten, ist es das Hauptargument“, erklärt er. Mit einem Kunstrasenplatz hofft der Verein auf einen größeren Zulauf, neue Jugenden könnten aufgebaut werden.
Es gebe zudem Mannschaften, die nicht mal mehr zu Freundschaftsspielen kommen würden. Sie sagen: Auf Asche spielen wir nicht. Jugendturniere veranstalten die Sportfreunde nicht mehr, weil Trainer ihre Teams nicht überzeugen können, die Anlage zu besuchen.
Im Vereinsheim hoffen sie jetzt auf eine Perspektive für den Kunstrasen. Sie könnten damit besser planen, den Mitgliedern etwas zurückgeben. „2023 wäre schon klasse und wichtig, dass das passiert“, sagt der Vorsitzende Haß. In einer Ecke hängt eine Collage, sie zeigt Fotos von der Platzeröffnung aus dem Jahr 2000. Der damalige Oberbürgermeister ist zu sehen, Spieler posieren für Mannschaftsfotos. Wenn es nach den Sportfreunden geht, soll sich das wiederholen. Rund zwei Jahrzehnte später – mit Kunstrasen.