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Artikelserie: Kobalt aus dem Kongo

Gegner der E-Mobilität verweisen oft auf Kinder, die in Kobalt-Minen schuften. Dabei verzerren sie die Probleme vor Ort - und verhindern eine Debatte über Lösungswege.

| Von Jonas Gerding


E-Autos brauchen Batterien, Batterien brauchen Kobalt. Bei dessen Förderung geht es aber oft nicht sauber zu. Im Kongo etwa, wo 60 Prozent des weltweit geförderten Kobalts herkommt, arbeiten auch Kinder in Minen. In einer Serie wollen wir diese Thematik genauer untersuchen und mögliche Lösungsansätze vorstellen.

Es sei ein "bizarrer Kampf", der derzeit gegen die Automobilindustrie geführt würde. Um Kinder in deutschen Städten vor Stickoxiden zu schützen, müssten Gleichaltrige andernorts viel größeres Leid ertragen. So tönt es aus dem Lager jener Kommentatoren, die den Klimawandel anzweifeln, am Diesel-Auto festhalten und auch sonst möchten, das alles beim Alten bleibt.


"Elektroautos brauchen Kobalt aus dem Kongo", schreibt beispielsweise Vera Lengsfeld. "Anstieg der Kinderarbeit vorprogrammiert", prophezeit sie bereits im Titel ihres Textes, den sie auf der deutschsprachigen Seite der Epoch-Times und in anderen rechtspopulistischen Medien verbreitetet.


Weniger als 20 Prozent des Kobalts stammt aus dem Kleinbergbau


Nun wohnt dem Vorwurf ein wahrer Kern inne. Im Süden des zentralafrikanischen Landes gibt es auch Kinder, die am Abbau von Kobalt beteiligt sind. Möglich also, dass so geförderten Rohstoffe in die Produktion von Autobatterien gelangen, die bislang auf Kobalt angewiesen ist. Und ohne die kongolesischen Minen, die rund 60 Prozent der weltweiten Kobaltförderung stemmen, wären die Hersteller erst recht aufgeschmissen.


Ohne das Problem der Kinderarbeit kleinzureden: Diese Art der Auseinandersetzung wird der Realität vor Ort nicht gerecht - und verhindert sogar eine ehrliche und nötige Diskussion über Lösungsansätze. Denn die Aussage, dass durch die Nachfrage nach E-Autos der "Anstieg der Kinderarbeit vorprogrammiert" sei: Das ist, wenn überhaupt, nur die halbe Wahrheit. Richtig ist: Minderjährige sind vor allem rund um den Kleinbergbau tätig, jene teilweise illegalen, unsicheren, unregulierten und ohne großes Gerät betriebenen Minen. 


"Darunter sind auch siebenjährige Kinder, die in weggeworfenen Abfallprodukten der industriellen Minen nach Kobalt suchen und die Erze sortieren und waschen, bevor sie verkauft werden", schreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem Report, der Ende 2016 für internationale Schlagzeilen sorgte und Automobilhersteller in Erklärungsnot brachte.


Was dabei jedoch untergeht: Jener Kleinbergbau beschäftigt Amnesty zufolge zwar zwischen 110.000 und 150.000 Menschen, hat jedoch nur einen Anteil von weniger als 20 Prozent an der Gesamtproduktion. Tendenz sinkend: So lag der Anteil im Jahr 2002 noch bei 90 Prozent. Es sind vor allem international tätige Konzerne, wie Glencore aus der Schweiz und Huayou Cobalt aus China, die Lizenzen erwerben, um riesige Tagebaue auszuheben. Ein lukratives Geschäft angesichts des Kobaltpreises, der sich allein in den vergangenen beiden Jahren vervierfacht hatte. Bei so vielen Menschen, die nun ihr Glück in der boomenden Regionen versuchen, sind die industriellen Minen auf Kinderarbeit nicht angewiesen.

Kinderarbeit ist nur ein Teil des Problems


Trotzdem waren es die Bilder einzelner Kinder rund um den Kleinbergbau, mit denen die Washington Post, CBS und CNN für Empörung sorgten. "Offenbar ist dies das Thema, das reizt", sagt Esther de Haan: "Das will man nicht in der Produktionskette haben." Für das niederländische Centre for Research on Multinational Corporations (SOMO) hat sie in einem Report untersucht, welche Auswirkungen die Minen auf angrenzende Gemeinden haben. "Es sollte sich nicht nur auf Kinderarbeit fokussiert werden, weil sich die Lage nur verbessert, wenn das ganze Paket angegangen wird", merkt sie an. "Solange Minenarbeiter nicht genug fürs Leben verdienen, werden immer auch Kinder tätig sein."


Wenn nur einseitig die Kinderarbeit thematisiert wird, könnten sich internationale Konzerne zu leicht aus der Affäre ziehen. Dabei hat SOMO die Probleme dokumentiert, für die sie auch verantwortlich sind: Umsiedlungen, Umweltverschmutzung und teils tödliche Gewalt von Sicherheitskräften gegen jene, die unerlaubt ihr Areal betreten.


Trotz der erschütternden Berichte, die sie für den Report auswerten musste, ist de Haan sich sicher: Beim Autokauf sind E-Fahrzeuge nach wie vor die richtige Wahl. "Elektronische Autos lösen eine Menge anderer Probleme", sagt sie und folgert: "Grundsätzlich ist es der beste Weg, die Arbeitsbedingungen vor Ort zu verbessern."


Wie dies unter anderem mit Rohstoff-Zertifizierungen gelingen könnte, ist eines der nächsten Themen dieser Reihe.

Teil 1: Kinderarbeit in Minen: Weniger E-Autos sind auch keine Lösung

Teil 2: Kobalt: Ein Fair-Trade-Siegel muss kommen

Teil 3: Akkus ohne Kobalt: Sauber, aber noch nicht marktreif

Teil 4: Kobalt und Co: So versuchen deutsche Autobauer Kinderarbeit auszuschließen

Teil 5: Akku-Recycling: Rohstoffschätze aus dem Container
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