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Das riskante Geschäft mit den "Schufa-freien" Krediten

Kredit für jeden – sofort und ohne Bonitätscheck? Ein brisanter Test zeigt, wie die Abzocke mit „Schufa-freien“ Krediten funktioniert. Im besten Fall gibt es einen Kredit zu unsäglichen Konditionen.

Miriam Schmidt* brauchte 5000 Euro. Am besten sofort. Ihr Vermieter hatte sie schon etliche Male aufgefordert, endlich die Miete nachzuzahlen. Sonst müsse sie die Wohnung räumen.

Mehrere tausend Euro schuldete die 35-jährige Kölnerin nicht nur ihm – sondern auch ihrer Bank. Der Dispo war längst ausgeschöpft. Ein Darlehen für Arbeitslose wie sie? Keine Chance, erklärte ihr der Berater. Also setzte sie sich an den Computer und öffnete eine Suchmaschine in der Hoffnung auf einen Kredit.

Ein Angebot: 5000 Euro, trotz negativer Bewertung bei der Schufa. Ein Versuch ist es wert, dachte sie sich und füllte den Antrag aus. Sie ahnte nicht, dass sie an dubiose Geschäftsleute geraten war, die sie um fast 250 Euro bringen sollten: für die Vermittlungsgebühr eines Kredits, der ihr niemals überwiesen würde.

Im Grenzbereich der Kriminalität

Fast 400.000 Menschen werden in Deutschland jährlich mit derlei krummen Geschäften übers Ohr gehauen. Auf diese Schätzungen jedenfalls beruft sich Christian Maltry. Er arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Schuldnerberater und archiviert die Machenschaften der angeblichen Kreditvermittler, die die Aktenordner seines Büros im unterfränkischen Main-Spessart füllen.

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Vollmundig preisen die angeblichen Kreditvermittler in Anzeigenblättern, Internet und Fernsehen ihre Angebote an: Über ihre ausgezeichneten Kontakte zu Banken könnten sie jedem einen Kredit verschaffen. Die angebliche Krux dabei: Ihnen würde das gelingen, ohne dabei die Bonität der Kreditsuchenden bei Auskunfteien zu überprüfen. Eine schlechte Bewertung bei der Schufa? Egal.

Schuldnerberater Maltry und die Fachhochschule Koblenz haben im vergangenen Jahr zum zweiten Mal solche zwielichtigen Offerten in einer Studie untersucht. Seine Erfahrungen aus dem Berufsalltag sieht Maltry bestätigt: „In den allermeisten Fällen trifft man da auf unseriöse, im Grenzbereich der Kriminalität arbeitende Anbieter.“

Im besten Fall gaukeln sie dem Kreditsuchenden dabei nur etwas vor: Zwar gibt es einen Kredit – allerdings mit Bonitätsprüfung und nur für wenige Auserlesene. Meist versenken die Kreditsuchenden jedoch ihr Geld in Telefongebühren und Vermittlungskosten, ohne dass sie jemals einen Cent geliehen bekommen.

Die angeblichen Kreditvermittler verdienen daran im großen Stil. 2,5 Millionen Euro wollte einer von ihnen einstreichen, indem er 50.000 Kreditsuchende prellte. Betrug, urteilte das Stuttgarter Landgericht und verdonnerte ihn im Frühjahr 2012 zu vier Jahren Haft.

Der Test: Kredite ohne Schufa

Maltry hat für die Studie genau die Menschen ausgewählt, auf die es die angeblichen Kreditvermittler abgesehen haben: Geringverdiener, Überschuldete und Selbstständige. Bei der Hausbank bekommen sie in der Regel keinen Kredit mehr. Denn: Bevor die Bank Geld springen lässt, erkundigt sie sich erst einmal, wie denn die Chancen stehen, dass sie das Geld in Zukunft auch wiedersehen wird.

Dafür wirft die Bank einen Blick in die Daten von Auskunfteien wie der Schufa: Laufen Insolvenzverfahren? Welche Bankkonten hat der Kunde eröffnet? Wie steht es um Leasingverträge, Telefonverträge oder Kundenkonten bei Versandhäusern? Sind die Daten schlecht, steht es der Bank zwar grundsätzlich frei, trotzdem einen Kredit zu geben. In der Regel wird der Berater jedoch dem Kreditsuchenden eine klare Absage erteilen.

Maltry hat seinen 22 Testpersonen deshalb einen Auftrag erteilt: Sie sollten versuchen, einen Kredit zu bekommen – ohne dass dabei deren Bonität überprüft wird. 177 Anfragen haben sie an 69 Anbieter geschickt. Das Ergebnis: Nur zwei Mal hätten die Testpersonen tatsächlich Geld geliehen bekommen – wenn auch zu horrenden Konditionen: 25,5 Prozent hätte eine der Testpersonen als effektiven Jahreszins hinblättern müssen.

Vermittler drängen Schuldner zu noch mehr Schulden

Oft wurden die Anfragen schlicht ignoriert. Viele setzten jedoch auf eine Reihe von Maschen, um die Kreditsuchenden abzuzocken. Der Klassiker: Gebühren für die Vermittlungen eines Kredits verlangen – obwohl noch überhaupt kein Geld verliehen wurde. Anstelle eines Kredits drängen die Vermittler die Personen dann dazu, unnütze Verträge abzuschließen: Sie legen fertig ausgefüllte Haftpflicht- und Kreditausfallversicherungen bei.

Sogar Beteiligungen an Immobilienfonds und Genossenschaften in der Höhe tausender Euro wollen sie den Kreditsuchenden aufschwatzen. Dabei verweisen sie darauf, dass dies die Zahlungsfähigkeit und somit die Chancen auf einen Kredit steigern würde. „Doch die Bonität verschlechtert sich dadurch nur“, erklärt Maltry. „Die Menschen rutschen noch weiter in die Schuldenfalle.“

Teilweise vereinbaren sie dafür auch persönliche Beratungsgespräche. „Damit setzen sie die Menschen psychisch unter starken Druck“, erklärt Maltry. Ein Mitarbeiter der Kreditvermittlung kommt ins Haus, breitet die Unterlagen aus, die zu unterschreiben sind – oft, ohne die nötige Zeit zu geben, um die Verträge zu überprüfen. Auch hier ist das Ziel, Finanzprodukte oder unnütze Versicherungen unterzujubeln und Beratungshonorare zu kassieren.

Arglistige Täuschung, sittenwidrige Zinsen

Mit ihren Tricks würden sich die angeblichen Kreditvermittler auf kriminelles Terrain begeben, erklärt Hugo Grote. Der Rechtsprofessor der Fachhochschule Koblenz hat an der Studie mitgearbeitet und listet mögliche Verstöße auf: verletzte Aufklärungspflichten, arglistige Täuschung, sittenwidrige Zinsen und unzulässige Provisionen für Kredite, die niemals ausgezahlt wurden.

Und dennoch: „Die Klientel steckt den Kopf in den Sand“, beobachtet Grote immer wieder. Dabei hätten die Betroffenen das Recht, sich zur Wehr zu setzen: Gebühren nicht überweisen, zurückfordern oder gerichtlich anfechten. Doch die meisten seien eingeschüchtert oder mit rechtlichen Aspekten schlicht überfordert.

Von Anfang an setzen die angeblichen Vermittler auf die Unwissenheit der Kreditsuchenden: Laien ist es oft gar nicht möglich, zu erkennen, dass sich hinter Kreditvermittlern zwielichtige Geschäftsleute verbergen. Sie schalten Werbung in Anzeigenblättern und im Teletext. Im Internet haben sie mittlerweile ein Netz aus Informationsquellen gesponnen, das den Mythos vom Schufa-freien Kredit für jedermann aufrecht erhalten soll.

Miriam Schmidt ist auf die Schein-Seriösität der angeblichen Kreditvermittler im Internet hereingefallen. Nachdem sie das Antragsformular für den Kredit an „Luzern Finanz“ abgeschickt hatte, antwortete der angebliche Vermittler im Briefkopf: „Genehmigung in Höhe von 5000 Euro.“ Per Nachnahme müsse sie nur noch eine Vermittlungsgebühr von 247,50 Euro bezahlen. Miriam Schmidt ließ sich darauf ein. „Ich dachte, das Geld liegt für mich bereit“, sagt sie.

Einziger Ausweg ist oft die Schuldnerberatung

Zum Verhängnis wurden ihr die Details im Kleingedruckten. Dort stand, dass es sich lediglich um einen Vertrag zur Vermittlung eines Kredits handelt und nicht – wie sie dachte – um den eigentlichen Kreditvertrag. Bei ihren Nachfragen wurde ihr stets versichert, dass sie sich noch etwas gedulden müsse. Nach fünf Monaten hatte sie immer noch keinen Kredit und genug von den leeren Versprechungen: Sie kündigte und erklärte den Rücktritt vom Vertrag. Doch „Luzern Finanz“ ignorierte sie. Miriam Schmidt verabschiedete sich von ihrem Geld.

Helfen konnte ihr schließlich Heike Christiani. Die Schuldnerberaterin des Kölner Sozialdienst katholischer Männer muss sich immer wieder mit den angeblichen Kreditvermittlern herumschlagen. Sie weiß, wie Verschuldete unter dem Druck leiden, wenn die angeblichen Vermittler auf Mahnungen, Gebühren, Auslagen und Honorare für die Vermittlung eines Kredits pochen – auch wenn dieser gar nicht ausgezahlt wurde.

Solange die Kreditsuchenden noch kein Geld bezahlt haben, rät Christiani ihnen, stur zu bleiben: „Bloß nichts zahlen, sondern abwarten und es notfalls auf einen gerichtlichen Beschluss ankommen lassen.“ Erst wenn die Kreditsuchenden bereits Geld überwiesen haben, kann es schwieriger werden, das Geld zurückzufordern. Muss es aber nicht.

Für Miriam Schmidt setzte sie erneut ein Schreiben mit dem Rücktritt auf – versehen mit den entsprechenden Paragrafen und dem Emblem der Beratungsstelle. Die 247,50 Euro überwies der angebliche Kreditvermittler sofort an sie zurück.

*Name geändert.

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