Es riecht nach Parfüm im gelben Werkstattauto. Das Radio läuft leise. Kathleen Andersohn meldet sich zum Dienst. Vor ihr, da, wo normalerweise das Radio eingebaut ist, prangt ein großer Bildschirm. Er ist Kommunikationszentrale und technische Enzyklopädie zugleich.
Andersohn ist seit knapp vier Jahren auf den Straßen in der Region unterwegs, um streikende Autos wieder flott zu machen. Im Schichtdienst kümmert sich die 41-Jährige um acht bis 15 Pannen am Tag. Dabei erlebt sie verschiedenste Situationen. Entladene Batterien, Motorschäden, defekte Reifen und leere Tanks – es ist kein Tag wie der andere.
Kathleen Andersohn liebt ihren Job als Pannenhelferin. (Fotos: J.Z.)
Der erste Auftrag wartet schon. Das Call-Center hat bereits alle relevanten Daten erfasst und übermittelt. Zwei Fingertipps auf den großen Bildschirm genügen und Andersohn kann alle Informationen zum Fall einsehen: Der Motor einer Limousine ist während der Fahrt ausgegangen und das Auto liegengeblieben. Es ist ein Kia, der Andersohns Hilfe braucht. Der Autofahrer ist mehr als 100 Kilometer von Zuhause entfernt. Sein Wagen ist schwarz und er ist ADAC-Plus-Mitglied. Dann wird die Route zum Pannenfahrzeug angezeigt. Voraussichtliche Fahrzeit: zehn Minuten.
Auf der Autobahn macht sich Kathleen Andersohn erste Gedanken. Die Batterie scheint hier nicht das Problem zu sein. Das ist der Klassiker, gerade im Winter. Ein Drittel aller Einsätze sind defekten Batterien geschuldet. Die kommen aber nur in Betracht, wenn ein Wagen gar nicht erst anspringt. Geht ein Motor während der Fahrt aber einfach aus, dann hat das andere Ursachen, so Andersohn. Fünf Minuten vor Ankunft kündigt sich die Pannenhelferin telefonisch beim Havaristen an – so werden die liegengebliebenen Autofahrer intern genannt.
Der zweite Computer im Kofferraum des Helferfahrzeugs.
Er hat seinen Wagen von einer großen Kreuzung bereits 200 Meter in eine kleine Seitenstraße im Lich-tenrader Industriegebiet geschoben. Der Havarist hat diesmal nicht lange warten müssen, nur knappe 15 Minuten. Innerhalb der letzten sechs Monate habe er drei Mal den ADAC gerufen, vorher noch nie, berichtet der Mann. „Na, da können Sie ja wenigstens froh sein, dass Sie im ADAC sind“, scherzt Andersohn, geht zum Kofferraum und packt ihr Equipment aus. Sie stöpselt ihr Diagnosegerät an das Pannenfahrzeug und liest den Fehlerspeicher des Fahrzeugs aus.
Jeder der gelben Werkstattwagen ist bestens ausgestattet. In unzähligen Schubladen, Fächern und Boxen sind alle gängigen Werkzeuge verstaut. Alles hat seinen Platz. Vom kleinen Schraubenschlüssel über ein Strommessgerät bis hin zum überdimensionalen Gummihammer. Außerdem gehören Ersatzteile und ein Sortiment an Autobatterien zur Grundausstattung.
Das technische Herzstück an Bord ist der Computer. Vom Diagnosegerät hat dieser das Ergebnis übermittelt bekommen. Der Nockenwellensensor liefert ein fehlerhaf
Die Frau in der gelben Warnkleidung ist nicht alleine unterwegs. In Teltow-Fläming, Dahme-Spreewald und Cottbus sind täglich zwischen sechs und 17 Pannenhelfer auf den Straßen. Seit Beginn des Jahres haben sie über 3500 Einsätze in der Region gehabt.
Dieser BMW hat schon über 340 000 Kilometer auf der Uhr. Zum Anlassen genügt die Batteriespannung nicht mehr.
Regelmäßig kommt es vor, dass sich Andersohn auch unter die Autos legt. Beispielsweise, um einen abgefallenen Auspuff provisorisch zu befestigen. Andersohn ist Kfz-Meisterin. Mit Puppen hat sie nie gespielt. Stattdessen gebastelt und geschraubt. Die meisten Havaristen sind überrascht, wenn eine Frau aus dem gelben Wagen steigt. Das bringt Andersohn aber nicht aus der Ruhe. Ihren männlichen Kollegen steht die Kfz-Meisterin in nichts nach. Man muss ihr schon auf die Hände schauen, um einen Unterschied auszumachen. Sie sind trotz der täglichen Belastung außerordentlich gepflegt. In der Mittelkonsole ihres Autos liegt ein Nagelknipser.
Gerade ist die Auftragsliste leer, Kathleen Andersohn ist fast ein wenig enttäuscht darüber. In solchen Fällen fährt sie am liebsten Patrouille. Sie will Präsenz zeigen. Da sein, falls jemand ihre Hilfe braucht. Und wenn sie doch einmal auf einem Parkplatz steht, so wie jetzt gerade an der A10, dann putzt sie den Wagen, tankt oder telefoniert mit Kollegen. Es sei wichtig, sich auszutauschen, weil man viel von den Aufträgen der anderen lernen könne, sagt Andersohn.
Die Königsdisziplin und ein keinesfalls zu vernachlässigender Teil ihrer Arbeit ist das Autoknacken. Oft sperren sich Menschen aus ihren Autos aus. Carsten, ein Kollege, berichtet von seinem jüngsten Erfolg. Er hat einen fabrikneuen VW Passat geknackt – bei Neuwagen eine spannende Herausforderung. Denn man weiß vorher nie, ob ein Autobauer in seinem neuen Modell eine neuartige Schließtechnik verbaut hat. Ohnehin klappt das Öffnen eines Autos ohne Schlüssel nicht immer.
Ein platter Reifen wird wieder fitt gemacht.
Dann erscheint auf dem Bildschirm ein großes Fenster. Eine neue Panne. „Reifenschaden, kein Ersatz“, meldet der Computer. Ein Plattfuß also, und die Fahrerin hat kein Ersatzrad dabei. Für Ander-sohn geht es jetzt nach Potsdam – je nach Pannen-Aufkommen wird sie in unterschiedliche Einsatzgebiete geschickt.
Sie fährt entspannt, sie kann es sich nicht leisten, geblitzt zu werden. Außerdem sei sie erkennbar auf der Straße, sagt Andersohn. Sie könne mit dem auffälligen gelben Auto ja nicht durch die Städte rasen.
Angekommen in Potsdam: An einem Autoreifen des Wagens fehlt das Ventil, die Luft ist raus. Ander-sohn ist erstaunt, als ihr die Fahrerin das Ventil in die Hand drückt und mit dem Finger auf einen kleinen Stock im Grünstreifen neben dem Parkplatz zeigt. Dort habe sie es gefunden.
Allzu kompliziert ist die Reparatur des Reifens nicht. Mit ein bisschen Gewalt entfernt Andersohn die Reste des alten Ventils. Und setzt mit einem Spezialwerkzeug ein neues ein. Jetzt wird der Reifen noch aufgepumpt und der Schaden ist behoben. Die Kundin ist glücklich, Kathleen Andersohn auch. Ihren Erfolg misst sie an der Zahl der Fälle, für die sie keinen Abschleppwagen braucht. Umso weniger Schlepper sie braucht, umso glücklicher ist sie. Bilanz heute: Nur der Kia, einer von zehn, musste an den Haken.
Wenn Andersohn über ihren Job erzählt, dann steht ihr die Faszination ins Gesicht geschrieben. Seit knapp vier Jahren ist sie nun im Pannendienst unterwegs. Vorher hat die Kfz-Meisterin in einer Werkstatt gearbeitet, stand häufig unter Druck und hat zeitweise auch auf ihr Gehalt warten müssen. „Irgendwann war dann die Zeit, da wollte ich unbedingt zum ADAC“, sagt sie. In diesem Job fühle sie sich frei, habe jeden Tag neue Situationen und lerne neue Menschen kennen.
Der Schichtdienst zerstört hin und wieder ganze Tagesplanungen. Doch sie bereut den Wechsel nicht. Das zeigt Andersohn ihrer Kundschaft auch. Sie achtet ganz bewusst auf eine positive Stimmung vor Ort. Der Havarist hat schon genug Ärger, wahrscheinlich Termine im Rücken und Sorge um den Wagen. Nicht selten sind die Menschen aufgeregt.
Genau wie Andersohn bei ihrem allerersten Auftrag. Sie erinnert sich gut daran. Ein Opel habe lediglich Motoröl gebraucht. Dennoch sei sie aufgeregt gewesen und habe mit zittriger Hand das Öl nachgefüllt.