Zak Paulo Piplica: Schon an das Tor. Zumindest ein bisschen. Gerade weil es mein erstes in der Regionalliga war. Aber die Verletzung ist natürlich im Hinterkopf.
Ich muss ehrlich sagen: Ich hatte in der Nacht davor schon irgendwie im Gefühl, dass es so kommt. Ich wusste, dass - wenn ich treffen werde - dann im Stadion der Freundschaft gegen Energie Cottbus. Direkt nach dem Tor habe ich dann in die Nordkurve geschaut und hatte einfach Gänsehaut. Das war ein ganz besonderes Gefühl für mich.
Mir geht es sehr gut. Ich habe keine Schmerzen, die OP ist perfekt verlaufen. Jetzt muss ich drei Wochen mit Krücken laufen und dann schauen wir mal weiter. Nächste Woche habe ich eine Kontrolle, um noch einmal zu checken, ob alles gut ist. Ich bin optimistisch, dass es dann bald wieder losgeht. Aber es ist schon bitter. Ich fehle im Endspurt - gerade auch im Derby (Anm. d. Red.: Lok spielt am 7. Mai bei Chemie Leipzig). Das tut weh. Aber so ist das: Solche Geschichten schreibt nur der Fußball. Erst dieses Tor und dann die Verletzung - das ist einmalig.
Als sie in der Pause Richtung Tribüne humpelten, gab es 'Piplica, Piplica'-Rufe von der Heimtribüne. Wie einst für Ihren Vater, der rund 250 Spiele im Cottbus-Trikot absolvierte. Der Name Piplica war in dem Moment größer als Ihre Vereinszugehörigkeit zu Gegner Lok Leipzig. Macht Sie das stolz?
Ja. Es zeigt den Stellenwert, den mein Vater immer noch in Cottbus hat. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, dass die Fans so reagieren würden. Da kann ich mich nur erneut bedanken. Das war ein wirklich schöner Moment für mich und auch für meine Familie. Das hat mich wirklich gerührt. Meinen Vater hat es auch sehr stolz gemacht, dass die Fans von Cottbus den Namen Piplica nicht vergessen haben.
Ich war sehr oft bei den Spielen und konnte meinem Vater zuschauen. Manchmal auch im Fernsehen, wenn er auswärts gespielt hat. Da habe ich, als ich noch ganz klein war, meine Mutti gefragt: 'In welchem Trikot ist denn Papa, wo ist denn Papa?' Meine beste Erinnerung, die ich an Cottbus habe, ist an das Abschiedsspiel für meinen Vater 2010. Das war vor zwölf Jahren auch das letzte Mal, dass ich - bis zur vergangenen Woche - im Stadion der Freundschaft war. Mein Vater war der Erste und bis jetzt auch der Letzte, der in Cottbus so ein Spiel bekommen hat. Das Stadion war voll. In der Halbzeit habe ich einen Elfmeter gegen meinen Vater geschossen und ihn auch reingemacht. Genau auf dasselbe Tor und genau in dieselbe Ecke habe ich jetzt auch das Tor für Leipzig gemacht. Da habe ich mich in dem Moment auch dran zurückerinnert. Nach der Partie haben wir mit meinem Vater und meiner kleinen Schwester die Runden mit den Fans gedreht.
Wie sehr hat diese Zeit Ihre Entscheidung beeinflusst, Profifußballer werden zu wollen?
Ich glaube, jeder kleine Junge will Fußballer werden. Und ich habe früh angefangen. Mein Vater hat mir immer geholfen, aber hat mich nie dazu gezwungen. Er hat immer gesagt, dass ich machen kann, was ich möchte. Nur eine Sache hat mir mein Vater verboten: Dass ich Torhüter werde. So war vom ersten Moment an klar, dass ich Feldspieler werde. Mit den Jahren hat sich dann herauskristallisiert, dass ich richtig wollte - und das nicht nur als Hobby, sondern als Beruf.
Ihr Vater ist inzwischen Trainer. Aktuell gehört er zum Trainerteam des Bayern-Regionalligisten Bayreuth - unter Timo Rost, einem weiteren Ex-Cottbuser. Wie viele Tipps bekommen Sie von ihm?
Ich habe jeden Tag Kontakt zu meinem Vater. Er versucht, jeden Tag zuhause zu sein - und das, obwohl er in Bayreuth trainiert. Wir reden darüber, wie jedes einzelne Training gelaufen ist und analysieren auch die Spiele zusammen. Er gibt mir immer Ratschläge, was ich besser machen kann. Ab und zu lobt er mich auch mal. Das mag er nicht so, das fällt ihm manchmal ein bisschen schwer. (lacht)
Was hat er Ihnen nach dem Spiel in Cottbus gesagt?
Meine Mutter hat erzählt, dass mein Vater nach meiner Verletzung nicht mehr weiterschauen konnte. Das sagt - denke ich - schon alles. In der Halbzeit habe ich ihn dann angerufen und ihm erstmal gesagt, dass wir nach dem Spiel direkt ins Krankenhaus fahren, ich aber glaube, dass es nichts Schlimmes ist. Er hatte da schon im Hinterkopf, dass es wohl eine schwere Verletzung sein wird. Er kennt mich. Er weiß, dass ich bei einer Kleinigkeit nicht rausgehen würde.
Wie viele Nachrichten haben Sie sonst erhalten? Es wirkte so, als schwappte der Name Piplica plötzlich wieder durch das gesamte fußballdeutsche Netz ...
Auf meinem Handy kam sehr viel an. Direkt nach dem Tor und der Verletzung kamen Nachrichten - mir wurde gratuliert und gute Besserung gewünscht. Das ging mehrere Tage so. Es gab auch Zeitungsartikel. Nicht nur bei uns in Leipzig, sondern auch in der Lausitz. Ich kenne die mediale Aufmerksamkeit durch meinen Vater schon mein ganzes Leben lang. Dass es jetzt mal nur um mich ging, war schon besonders. Ich habe dann nicht mehr viel mitbekommen, weil ja die OP anstand und ich unter Narkose stand. Da musste ich ein paar Tage warten, bis wieder alles ganz klar wurde. (lacht) Aber das hat mich schon gefreut.
Haben Sie den überall bekannten Namen Piplica als junger Nachwuchsspieler als Fluch oder Segen wahrgenommen?
Es ist beides zugleich. Aber ich bin froh, dass ich den Namen Piplica trage. Das ist eine Herausforderung, die ich bewältigen muss, aber die habe ich schon längst angenommen. Ich hoffe, dass ich den Namen ein bisschen erweitern kann - über den Torwart Piplica hinaus auf den Feldspieler. Das werde ich schon schaffen.
Ihre Haarpracht erinnert rein optisch an Ihren Vater. Auch Sie tragen den Spitznamen "Pipi". Welche Gemeinsamkeiten zwischen den Fußballern Zak Paulo und Tomislav gibt es - und wo gibt es Unterschiede?
Mein Vater ist als Torhüter schon damals ein sehr guter Fußballer gewesen. Ich bin auch kein schlechter. (lacht) Vom Läuferischen und Athletischen sind wir auch beide sehr gut. Wir sind beide Arbeitstiere und kommen beide durch die Mentalität. Ich glaube, es gibt wirklich nur einen einzigen Unterschied: Der eine Piplica stand im Tor und der andere spielt auf dem Feld.
Sie haben nach Ihren Anfängen Ihre Jugend in den Nachwuchsleistungszentren von RB Leipzig und Carl Zeiss Jena verbracht. Lok Leipzig ist Ihre erste Station im Herrenfußball. Die Regionalliga ist an der Schwelle zum Profifußball. Sie sind 20 Jahre alt. Was sind Ihre Ziele?
Wenn schon der Vater Bundesliga gespielt hat, will man das als Sohn auch schaffen. Ich habe ja noch sehr viel Zeit, mich weiterzuentwickeln, bin - wie gesagt - erst 20 Jahre alt. In ein paar Jahren wird man dann merken, ob ich das Zeug zum Profi habe oder nicht. Aber ich bin fest davon überzeugt und mein Vater ist es - glaube ich - auch. Er sieht das Potenzial in mir. Für mich war es eine sehr gute Saison in der Regionalliga (Anm. d. Red.: Piplica stand bislang in 34 von 35 Spielen auf dem Platz). Gerade in den letzten Partien habe ich nochmal einen Schub gemacht.
Auch nach den Erlebnissen des 19. April, die zeigen, wie viele Emotionen Ihr Nachname immer noch in Cottbus auslöst: Können Sie sich vorstellen, irgendwann wie Ihr Vater im Trikot von Energie aufzulaufen?
Natürlich könnte ich mir das vorstellen, bei Cottbus zu spielen. Aber zurzeit eher nicht, vielleicht in Zukunft. Man sollte ja niemals nie sagen. Deswegen: Ich bin offen für alles. Aber aktuell sehe ich meine Zukunft in Leipzig und bin sehr zufrieden hier.