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Schüler und Unternehmer an einem Tisch

Von Johanna Mayerhofer

Das gemeinnützige Projekt "Chefs lesen Kinder vor" feiert sein zehntes Jubiläum

Einmal die heiligen Hallen betreten, im Vorstandszimmer Platz nehmen und die Mächtigen mit Fragen löchern - das Projekt "Chefs lesen Kinder vor" bietet Drittklässlern Gelegenheit dazu. Der Hamburger Führungskräftecoach Dirk Brandt bringt mit seinem Verein zwei Gruppen der Gesellschaft zusammen, die im Alltag selten aufeinandertreffen: Unter anderem laden Vertreter der Polizei, der Haspa, der Allianz AG oder auch der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mehrfach im Jahr je eine Grundschulklasse zu sich ins Büro ein. Dort nehmen sich vier Geschäftsleiter, Vorstände oder Manager trotz getaktetem Alltag Zeit und lesen dem Nachwuchs aus ihren Lieblingsbüchern vor.

Das Projekt feierte am Mittwoch bei KPMG sein Jubiläum: In zehn Jahren waren 7000 Kinder aus 24 Grundschulen bei 180 Chefs zu Besuch. "Das etwa 20-minütige Vorlesen in Kleingruppen wird schnell zur Nebensache. Es soll vor allem erste Berührungsängste verfliegen lassen", sagt Brandt. Nach dem Lesen bleibt genug Zeit für das Kennenlernen - insgesamt dreimal kommt eine Gruppe in dieselben Chefbüros. Die Neugier der Kinder ist groß. Persönliche Fragen nach eigenen Kindern oder der Ehefrau wechseln sich ab mit Fragen zur Arbeitswelt. "Hast du eine Waffe? Was sind Drogen?" - Fragen, die Helge Hinrichs, Leiter des Rauschgiftdezernats, immer wieder hört und gerne beantwortet. An der Arbeit von Wirtschaftssenator Frank Horch, der seine Premiere als Vorleser erst Anfang der Woche feierte, waren die Kinder weniger interessiert. Vielmehr wurde das Büro des Politikers inspiziert. "Schnell saßen wir mit Schiffs- und Flugzeugmodellen auf dem Boden", erzählt Horch.

Durch das Einlassen auf die Kinder wird der Besuch auf Chefseite zum "Schnellkurs in Empathie", sagt Brandt. Auf Schülerseite hofft der Coach, dass am Ende die Einsicht bleibt: Fleißig sein in der Schule lohnt sich. Nach dem Besuch ermuntern die Lehrer ihre Schüler, durch einen Brief das Erlebte mit den Gastgebern zu teilen. "Sie sind ein toller, netter und fröhlicher Mensch", schrieb Toni an Haspa-Ausbildungsleiter Matthias Saecke. Auch Kollegin Stefanie Pump konnte Vorurteile revidieren: "Ich dachte immer Chefs wären böse, aber da habe ich mich getäuscht", schrieb ihr der kleine Ralf. "Bei den Briefen geht einem das Herz auf", meint Polizist Helge Hinrichs.

Dirk Brandt möchte noch mehr Unterstützer für seinen Verein finden. Fünf Unternehmen zeigten bereits Interesse, bei den Schulen gäbe es auch noch Potenzial: "Wir haben schließlich 190 Grundschulen in Hamburg."

Weitere Infos: www.chefslesen.de

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