63 Milliarden Euro gibt Deutschland jedes Jahr mehr Geld für Männer aus als für Frauen, das hat Boris von Heesen berechnet und darüber ein Buch geschrieben. Der Titel: „ Was Männer kosten ".
Im ersten Moment verdrehen viele hier vielleicht die Augen. Muss man im Jahr 2022 wirklich noch erklären, dass das Patriarchat schlecht für alle ist? Die Antwort ist: JA! Denn wir hätten uns zu sehr an das Patriarchat gewöhnt, meint Boris von Heesen. Der Autor erzählt: "Da wollen fünf Männer Karl Lauterbach entführen, ein tschechischer Milliardär fährt 417 Kilometer pro Stunde und wird von einem männlichen Staatsanwalt freigesprochen, wir haben einfach ein totales Dauerfeuer an ungesundem männlichen Verhalten." Das hinterfrage aber niemand mehr hinsichtlich des Geschlechts, stattdessen hätten wir uns daran gewöhnt.
Mit der Sprache des Patriarchats, dem Geld, beschreibt von Heesen, welche Folgen ungesund-männliches Verhalten für Männer und auch Frauen hat - und was es den Staat kostet. Boris von Heesen ist Zahlenfeminist. Aus vielen Bereichen des Lebens trägt er Statistiken zusammen und rechnet aus, warum Männer mehr kosten als Frauen. Für nicht-binäre Menschen gibt es übrigens leider kaum aussagekräftige Daten, weil diese überhaupt erst seit 2018 erhoben werden. Wir rechnen mal mit von Heesen, was der Mann so kostet.
Männer trinken viel mehr Alkohol als Frauen - und leiden an den Schäden.
Wegen direkter Kosten für Behandlung - und Pflege und indirekter Kosten, wie Arbeitslosengeld oder Folgen von Erwerbsminderung. Die Kosten für Frauen sind übrigens abgezogen, es geht also wirklich nur darum, was Männer mehr kosten. 3,23 Milliarden Euro der Kosten des Justizvollzugs fällt zum Beispiel auf Männer, 94 Prozent der Häftlinge in Deutschland sind männlich. Dazu kommen Kosten für häusliche Gewalt, Polizei und Frauenhäuser, und Suchtverhalten. Das schlägt besonders stark ins Gewicht: Insgesamt 49,7 Milliarden Euro pro Jahr - so viel wie das BIP von Serbien.
Männer konsumieren mehr Drogen als Frauen
Aber was hat das jetzt mit dem Patriarchat zu tun? Von Heesen hat selbst eine Drogenhilfe in Frankfurt geleitet und zeigt anhand von Forschung: Traditionelle Männlichkeit und Sucht hängen eng miteinander zusammen. Laut von Heesen konsumieren Männer legale und illegale Drogen, weil sie dem Druck, ein starker Mann sein zu müssen, nicht standhalten können. Keine Gefühle zeigen zu dürfen, der Versorger zu sein, immer in Konkurrenz mit Alpha-Männern zu stehen, all das zermürbt eben. Männer reden nicht über ihre Probleme, sie versuchen sie zu verdrängen oder spülen sie mit Bier runter, schnupfen sie mit Koks weg oder rauchen sie in der Pfeife.
Das sind die harten Zahlen. Boris von Heesen weißt aber auch darauf hin, dass indirekte und immaterielle Kosten entstehen, die nicht mit eingerechnet werden können. Zum Beispiel das Leid, dass Familienangehörige von Alkoholkranken erfahren und die höhere Wahrscheinlichkeit, selbst süchtig zu werden. Dabei geht geht von Heesen behutsam mit den Einzelschicksalen hinter den Zahlen um. Trotzdem kommt seine Arbeit nicht bei allen gut an. Boris von Heesen erzählt: "Jüngere Menschen und Frauen sind offen dafür. Aber Männer ab 50, die reagieren super kritisch."
Wie können wir die Kosten reduzieren?
Geschlecht und Verkehrstote hängen zusammen
Im letzten Teil des Buches entwickelt von Heesen eine Idee, wie besonders Männer, aber auch wir alle als Gesellschaft die Kosten und die negativen Auswirkungen reduzieren können: wirklich gute Beratung für Männer anbieten. Aber auch öffentliche Stellen, die Zahlen sammeln und auswerten, müssen stärker hervorheben, dass eben zum Beispiel Geschlecht und Verkehrstote zusammenhängen. Schließlich haben davon auch Männer etwas, erzählt Boris von Heesen. Sie würden aus Zwängen gelöst und die männlichen Privilegien abzugeben könne auch viele Vorteile haben: "Ein längeres Leben, bessere Beziehungen zu den Kindern, richtige intensive Freundschaften und eine Entmystifizierung des Berufslebens, das ja für viele Männer das absolut wichtigste ist."
Für Menschen, die Margarete Stokowski und Toni Morrison gelesen haben, birgt das Buch „Was Männer kosten" wenig theoretischen Mehrwert. Durch von Heesens sensible Herangehensweise ist es aber vielleicht auch etwas für den "slightly sexist uncle" zum Geburtstag. Und vor allem liefert es neben den ganzen Zahlen und Fakten eben auch die Botschaft: Das Patriarchat kommt uns noch viel teurer zu stehen, als Zahlen abbilden können.
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