Mit seinem letzten Album "Alles brennt" hat Johannes Oerding es das erste Mal in die Top 3 der Album-Charts geschafft. Jetzt veröffentlicht der Wahl-Hamburger sein fünftes Album. Ein Gespräch über Freiheit.
Sie sind Mitglied im Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg Stammkapellen.Johannes Oerding: Das ist krass, das steht jetzt scheinbar bei Wikipedia. Als Kind und Jugendlicher war ich Gruppenleiter und bin mit ins Sommerlager gefahren. Da bin ich jetzt aktiv raus, aber meine Geschwister machen das noch. Mein Vater hat den Verein damals gegründet. Manchmal besuche ich sie und bin für zwei, drei Tage da. Ich mag das einfach total gerne, diese absolute Abgeschiedenheit. Man isst mit 200 Leuten, lebt in einem Zelt - back to the Roots.
Also ein richtiges Familienunternehmen.Ja, es gab nicht so viel bei uns, auf'm Dorf in Geldern-Kapellen, und mein Vater hat sich überlegt, wie er die Kids beschäftigen kann. Wie er auch denen, die nicht so viel haben, einen Urlaub ermöglichen kann. Diese Freizeiten sind nicht so, wie man sich das immer vorstellt: Dass Jugendliche mit einer Uniform rumrennen, jeden Tag eine gute Tat verrichten und alles ein bisschen strange ist. Tatsächlich ist es einfach eine richtig schöne Jugendfreizeit. Ich war immer zuständig fürs Gitarrespielen. So habe ich es gelernt, am Lagerfeuer. Und so habe ich die ersten Herzen gebrochen. (lacht)
Sehen Sie es als Teil Ihrer Aufgabe, sich für Kinder zu engagieren?Ja, es macht ja riesig Spaß. Es fühlt sich gut an, Leuten etwas zu schenken, ihnen eine Freude zu bereiten. Ich sehe das immer mehr als meine Aufgabe. Früher wollte ich als Künstler auftreten und Applaus haben. Aber ich merke immer mehr, dass man auch eine Aufgabe hat als Künstler: Eine Haltung zu vertreten. Und Gedanken mit auf den Weg zu geben.
So wie"Weiße Tauben". Ein politischer Song, in dem Sie sich nach Frieden sehnen.Ich wollte meine Gedanken aufschreiben, ohne den Zeigefinger zu heben. Da habe ich mir die Unterstützung von Samy Deluxe geholt, weil ich glaube, dass er das unglaublich gut kann. Und wir wollten immer schon etwas zusammen machen.
Machen Ihnen die aktuellen politischen Entwicklungen Angst?Man schiebt alles doch noch sehr weit weg. Aber ich bin wahnsinnig traurig, manchmal auch wütend. Wenn ich sehe, wie manche Menschen ticken und Hass verbreiten. Ich habe aber große Hoffnung, dass es genug Menschen gibt, die Liebe verbreiten. Manchmal habe ich das Gefühl, dass eine Eminenz das steuert, die immer mehr die Eskalation schürt. Das hat man im Wahlkampf von Trump, bei Erdogan, in den Niederlanden gesehen. Das hat für mich nichts mit Fairness oder der Wahrheit zu tun.
Sie singen von der großen Freiheit. Was bedeutet das für Sie?Ich kann frei arbeiten, das musste ich mir erkämpfen. Anfangs musste ich bei meinen Alben noch Kompromisse eingehen und Dinge zusagen, auf die ich nicht wirklich Lust hatte. Das hat mir aber jetzt eine unglaubliche Freiheit und Kreativität ermöglicht. Keiner sagt mir mehr, wann ich aufstehen muss, wie ich klingen muss und was ich zu machen habe. Das ist ein Privileg. Ich will gar nicht wissen, wie viele Menschen überhaupt keinen Bock auf ihren Job haben.
Haben Sie mal in einem anderen Bereich gearbeitet?Ich hab tatsächlich mal in Holland Betriebswirtschaftslehre und Internationales Marketing studiert, weil ich nicht wusste, was ich machen will. Das Studium habe ich abgeschlossen, aber nie in dem Bereich gearbeitet. Da ich der dritte Sohn bin, musste ich auch keinen Zivildienst machen oder zur Bundeswehr gehen. Und ich wollte meine Eltern beruhigen. Die Auslandssemester habe ich dann immer in Deutschland verbracht beziehungsweise in Hamburg, weil ich da schon meine ersten musikalische Kontakte und eine Band hatte. Denn wenn mein Vater mir irgendwas mitgegeben hat, dann, dass ich Spaß an dem haben soll, was ich mache. Und das war immer nur die Musik. Ich wusste, ich brauche kein Back-up. Mit allem, was dazugehört. Selbst Interviews machen mir große Freude.
"Love me Tinder".Ist Ihr Lied, oder? Sie bekamen grad so glänzende Augen. Sind Sie bei Tinder?
Ne, das ist nicht so mein Ding.Waren Sie schon mal angemeldet?
Ich finde die Idee komisch Leute wegzuwischen.Da haben Sie recht. Ich habe auch ein Problem damit Menschen GNTM-, Bachelormäßig auszusieben. Ich mag es, wenn man sich zufällig begegnet, und der Moment schon eine Geschichte schreibt. Es ist ja auch wahnsinnig stressig, sich mit so vielen Menschen zu treffen, bis man das scheinbar perfekte Gegenüber gefunden hat. In meinem Umfeld habe ich gemerkt, wie Leute davon genervt waren, dass es wieder nicht geklappt hat. Ich bin allerdings auch bei Tinder angemeldet, nur mit anderem Namen: Max Giesinger. (lacht)
Sie tragen jetzt Zopf. Auf Facebook schreiben Sie, "die Haare gehören zur Rolle, fragt nicht nach".Ja, "Games of Thrones", Staffel 7, ich spiele einen kleinen Wikinger. Viele machen sich scheinbar Gedanken über meine Frisur und dem wollte ich mal vorweggreifen, dass es um die Musik geht und sie keine Millionen Kommentare über meine Frisur schreiben. So was nervt mich. Genauso, wie wenn die Zuschauer mit dem iPhone das ganze Konzert filmen. Das ist so schade, Leute stellen eineinhalb Stunden Konzert ins Internet. Das ist einfach nicht so geil. Da verliert der Moment seine Magie.
Merken Sie das denn auch bei Ihren Konzerten auf der Bühne?Bei einzelnen Songs gehen alle Handys hoch. Wenn man ihn dann beendet, klatscht keiner, weil alle noch ihr Handy halten. Ich würde aber niemals dafür sorgen, dass die Handys abgegeben werden müssen. Wir sind ja hier nicht in Russland.
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