Noch ist es hell. Gitarrenklänge schweben durch die Luft. Kinder sitzen auf den Schultern ihrer Väter, die übrig gebliebenen Männer kuscheln mit ihrer weiblichen Begleitung. Es erklingt eine klare Frauenstimme. Das Publikum schaut suchend umher. Da ist sie, Stefanie Kloß steht inmitten ihrer Fans auf den Treppen der Wuhlheide und singt den ersten Song. "Das Eis ist dünn, du gehst aufs Eis. Keine Angst von der du weißt", haucht sie in ihr Mikrofon und bahnt sich lachend ihren Weg durch das Publikum. Keiner hat den Gitarristen Thomas Stolle im Blick, der langsam den Steg entlang schlendert.
Nach dem sanften Einstieg wird es lauter, die Drums gehen nach vorne, die Gitarre wird verzerrter, der Bass steigt ein. Es folgen laute Nummern, rockiger als auf dem Album. Stefanie Kloß hüpft von links nach rechts über den Steg und zurück. Zwischendurch flackern aufdringliche LED-Lichter, die Gesichter der Band Silbermond werden als Schwarz-Weiß-Aufnahmen auf Bildschirmen gezeigt. "Zehn Jahre wohnen wir schon in Berlin, und irgendwie ist es wie nach Hause kommen", säuselt Stefanie Kloß. Seit 18 Jahren spielen die vier Musiker aus Bautzen als Band zusammen. "Manchmal weiß ich nicht, ob das eigentlich gut ist, dass wir schon so lange Musik zusammen machen", sagt Stefanie Kloß.
An Sentimentalität spart Silbermond an diesem Abend nicht. Zwischenzeitlich werden alte Bandfotos gezeigt. Von Festivalbildern bis zu Fotos von Studioaufnahmen und Konzerten. Fühlt sich ein bisschen an wie ein Best-of-Konzert. Dazu trägt auch die Songauswahl bei. Neben Songs wie "Langsam" und "Zeit zu tanzen" aus ihrem aktuellen Album "Leichtes Gepäck" schmachtet sie auch ihre größten Erfolge "Symphonie" und "Das Beste" hin.
Weiter geht es mit "Heut hab ich Zeit", die Strophen werden gesprochen, aufgrund des Halls sind sie aber kaum verständlich. Ein Chor aus syrischen und afghanischen Jugendlichen habe in Hamburg für sie gespielt, erzählt Stefanie Kloß. Dort habe ein Mädchen gefragt, warum sie denn eigentlich von Sicherheit singen würden. In Deutschland sei man doch sicher. "Ich stand da und wusste nicht, was ich sagen soll", sagt Stefanie Kloß. Wieder kullern Tränen über ihr Gesicht. Sie bedankt sich für die Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit und kündigt "In Zeiten wie diesen" an. Ein alter Song mit Zeilen wie "Sind wir hier um Nazi zu sein, um nicht aus Fehlern zu lernen, nein dafür sind wir nicht hier". Klitschnass geschwitzt bedankt sich die Sängerin. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass sie dieses Konzert nicht beenden möchte. Doch auch an diesem Abend findet alles sein Ende. Mit einem gigantischen Konfettiregen und Crowd-Surfing schließt Silbermond ihr Konzert. Die Kinder nehmen die Hände ihrer Väter, Paare nehmen sich in den Arm und treten den Heimweg an.
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